Richtig schön sieht er aus, im neuen Umfeld einer anderen Wohnung. Tatsächlich habe ich ihn lange nicht gesehen (er fristete ein paar Jahre auseinander gebaut auf dem Dachboden), und noch länger, denn in meiner eigenen kleinen Wohnung stand er am Ende fast nur noch im Weg und war ein schwarzes Ungeheuer aus der Vergangenheit. Davor hatte er seine eigene Holzfarbe und war Arbeitsplatz in der Firma, in der mein Vater arbeitete. Vielleicht war es sogar sein Schreibtisch. Das muss ich ihn nochmal fragen. Ich habe den Tisch dann schwarz lackiert, die Eichenholzfassung war mir viel zu spießig. Ich überlege, welches Wissen ich mir an dem Tisch angeeignet habe, ich kann mich nicht an Inhalte erinnern, mehr an das beklemmende Gefühl, das ganze an der Uni angebotene und abgefragte Wissen niemals bewältigen zu können. Wie anders erscheint es mir heute, wo schon Erstsemerster Essays schreiben (dürfen), in denen ihre Ansichten gefragt sind, nicht nur das Wiederkäuen von Fakten. Kurz dachte ich, meine Möglichkeiten an dem Schreibtisch nicht genutzt zu haben. Doch so stimmt es nicht. Am Ende war dieser Tisch die Rakete, die mich aus dem provinziellen Dasein nach Berlin schoss. Und das ist nun mal nicht der schlechteste Ort auf dieser Welt.
linda levante 22. Dezember 2022
Fakten „wiederkäuen“ wie Sie es sagen, hat einen negativen Beigeschmack. Man kann Fakten nicht oft genug wiederholen, nur man muss sie suchen. Sie werden uns im Fernsehen nicht präsentiert.
Ihr Schreibtisch gefällt mir außerordentlich gut. Schöne Weihnachten.
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