Es ist kein Zufall – und wahrscheinlich auch viel weniger individuell – was wir hören oder genauer, welche Musik uns gefällt. Schon in den 1980er und 1990er Jahren erforschte Pierre Bourdieu unsere Musikvorlieben darauf, wie wir uns über sie definieren oder andersherum, wie Musikgeschmack im sozialen Miteinander Grenzen definiert, beziehungsweise Gemeinsamkeiten herstellt.
Wenn ich zurückdenke, weiß ich natürlich genau, was diese eher allgemeine Aussage bedeutet, denn unsere Klasse war gespalten in Beatles- oder Rolling-Stones Hörerinnen, in die, die Abba hörten oder die Bay City Rollers, in solche, die Genesis mochten oder Pink Floyd, Hitparade oder Disko-Musik. Nein, klassische Musik spielte damals gar keine Rolle, etwas, was heute eventuell schon wieder anders ist (doch ja, es gibt Kinder, die gerne Klassik hören oder auch im Musikunterricht spielen).
Die Sache hat sich interessant verändert. Denn heute verrät uns nicht nur der Musikgeschmack, sondern auch die Fähigkeit mehrere Geschmäcker gleichzeitig zu kultivieren. On Top – und damit als ausgewiesene/r Musik-Liebhaber/in – zeigen sich Menschen, die mühelos zwischen verschiedenen Stilen switchen (und sich dort bestenfalls auch noch auskennen). Wobei die klassische Musik nach wie vor eine Art Joker ist: Nur wer sich auch dort, wenn vielleicht nicht auskennt, so dort zumindest sicher bewegt, gehört zur Kulturelite, die mit einem lässigen, gleichzeitig sicheren Geschmack brilliert.
Und noch etwas ist an Musikgeschmack interessant: Es waren lange (und sind es möglicherweise bis heute vornehmlich) Männer, die ihren Geschmack zelebrierten (das meine ich durchaus positiv) und darüber sprachen und sich austauschten. Das ändert sich gerade, und es steht noch aus, wohin die Reise geht. Dennoch denke ich, dass an Geschmack (egal jetzt, ob es sich um Literatur, um Bildende Kunst, Design, Musik oder Essen handelt) eine Art Zeigefunktion hat, mit der wir signalisieren, wer wir sind, woher wir kommen oder wer wir sein wollen.