Nein. Da gibt es jetzt keinen Bezug. Jedenfalls nicht in dem, was ich heute tippe. Lebensthemen liegen in meinem Leben oft unverbunden neben-, hinter- und untereinander. Beim Schreiben geht es ums Vergessen. Großes Fass für mich. 1. ich fürchte manchmal, schon erste Zeichen einer Demenz an mir zu entdecken (meine Mutter hatte Alzheimer). 2. Andy Warhol hat sein Vergessen mal als Quelle seiner Kreativität beschrieben: finde ich nach wie vor beeindruckend und sehr nachvollziehbar. 3. Deleuze sagt in seinem langen Interview, dass es nicht reiche, etwas erlebt zu haben, um ein gutes Buch zu schreiben. Ich ahne was. 4. Ich habe lesen gelernt, ich habe schreiben gelernt. Und jetzt tue ich mich endlos schwer damit, das wieder zu vergessen.
Bei Ilse Aichinger etwas über einen grünen Esel gelesen. Einer, der unvermittelt auftaucht, in unwahrscheinlichem Grün. Und nach einer Weile – er läuft über immer dieselben Bahngleise – wieder verschwindet. Erst verstehe ich nicht viel. Dann verstehe ich, dass Distanz in der Liebe unverzichtbar ist. Dann lache ich und denke: Eselsbrücke. Dann dieses Zitat: „Bis dahin will ich es lernen, so wenig von ihm zu wissen, dass ich sein Ausbleiben ertrage.“ Große Lebensschule.
Myriade 30. April 2022
In diesem kurzen Text sind gleich mehrere Ansätze, mit denen ich etwas anfangen kann. Das Suchen nach Anfängen von Demenz und dass Distanz in der Liebe unverzichtbar ist.
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Alexander Carmele 17. Juli 2022
Es reicht aber auch nicht, gut mit Sprache umzugehen und viele Wörter zu kennen, um ein Buch zu schreiben, das berührt. Die seltsame Balance zwischen Erleben und Erfahrung, die sich sprachlich durchdringt, gelingt meines Erachtens sehr selten. Deleuze, denke ich, hat auch gesagt, sinngemäß, dass ihm beim Gedanken einen Roman zu schreiben, der Schauder den Rücken herunterliefe, weil stets eine Welt erschaffen wird. Und Roland Barthes hat nur über das Scheitern seines Schreibens reflektieren können. Viele schöne Denkanstöße in dem Beitrag. Viele Grüße!
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Stephanie Jaeckel 17. Juli 2022
Klar, es ging Deleuze möglicherweise um die damals beginnende, und mittlerweile – wie mir jedenfalls scheint – Inflation von Büchern, die eigene Erfahrungen verarbeiten und dabei gut und gerne zu einer (zu) persönlichen Nabelschau geraten. Ich denke auch, dass Stil keineswegs reicht, um gut zu schreiben. Aber ein Blick über den Tellerrand, eine gute Idee, ein Vorschlag oder ein überraschendes Moment sind für mich wichtige Elemente für Bücher, seien es Romane, Gedichte oder Selbsterfahrungsgeschichten.
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Alexander Carmele 17. Juli 2022
Das sehe ich genauso. Und das Eigenartige, die gute Idee kommt aus den verrücktesten und oft unerwarteten Richtungen. Ilse Aichinger habe ich, glaube ich, viel zu wenig gelesen.
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Stephanie Jaeckel 26. Juli 2022
Ilse Aichinger zu lesen, ist auch – hm… ich finde es sehr schwierig (was natürlich überhaupt nicht gegen eine Lektüre spricht). Ihre Texte sind so gespickt mit Andeutungen und Reflexionen, dass ich Lese- und das heißt Interpretationshilfen – brauche. Aber es sind Texte, die mich einbeziehen, ich werde von Aichinger gefragt oder in einen Prozess des Nachdenkens gezogen, das gefällt mir.
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