Ich kann mich noch an ein Gespräch an der Uni erinnern. Ich hatte – wie wahrscheinlich viele Student/innen – Schwierigkeiten, eine umfangreiche Hausarbeit zu schreiben. Heute denke ich, „kein Wunder“. Schließlich lernt man das nicht in der Schule und im Grunde auch nicht an der Uni. Da macht man es eben. Dieser Sprung ins Wasser (der Kältegrad ist wahrscheinlich für jede/n unterschiedlich) brachte mich ordentlich ins Schwimmen. Aber statt das zu akzeptieren, dachte ich erst mal wieder, an mir stimme was nicht oder ich könne das nicht oder was nicht alles. Ich ging also zu einer Beratungsstelle und bekam den Rat, ich solle keine Bestnote anstreben, sondern fürs Erste einfach mal daran denken, die Hausarbeit fertig zu bekommen. „Die Latte nicht so hoch hängen“ hieß das damals – und wahrscheinlich auch heute noch.
Ehrlich? Damit kann ich überhaupt nichts anfangen. Natürlich gibt es immer Dinge, die ich ohne Eleganz und Ambition fertig mache. Nur, damit sie getan sind. „Das reicht“ gehört unbedingt zu meinem Wortschatz, und wird auch nicht selten benutzt. Dennoch habe ich das Gefühl, dass mir bei jeglicher „Halbherzigkeit“ Energie verloren geht. So als würde ich mit angezogener Handbremse fahren, und es sinnvoller wäre, mich in die Verausgabung zu befreien. Für viele ist dieses Denken wohl ein Zeichen von Ehrgeiz. Aber das meine ich gar nicht mal. Es ist für mich eine Frage der Lebensökonomie. Aber möglicherweise liege ich falsch – ? Was mich tatsächlich stutzig macht, ist, wie sehr ich diese Art des Gasgebens voraussetze, auch bei anderen Menschen. Und, um es schlimmer zu machen, vor allem bei Menschen, die ich sehr liebe und schätze. Nicht, weil ich nur mit erfolgreichen Menschen zu tun haben will. Es geht um die Idee, sich sichtbar zu machen, aus sich herauszukommen. Die eigenen Möglichkeiten zu nutzen. Und hier liegt möglicherweise der Fehler. Denn was ist schlimm daran, hinter seinen Möglichkeiten zu bleiben?
smilane 13. September 2019
„Was mich tatsächlich stutzig macht, ist, wie sehr ich diese Art des Gasgebers voraussetze, auch bei anderen Menschen.“ dieser Satz machte mich stutzig. Der trifft es auch bei mir ins Schwarze und ich „arbeite“ daran, meine „Erwartungshaltung“ meinen Mitmenschen gegenüber auf zu geben oder zumindest stark herab zu schrauben. Denn eigentlich macht nicht viel unzufriedener als ständig Erwartungen hinterher zu hinken…..
Danke, dass du mir das heute wieder einmal bewusst machst.
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Stephanie Jaeckel 13. September 2019
Du hast da völlig Recht. Das Schwierige für mich ist, dass sich das nicht wie eine Erwartung anfühlt, sondern eher so als – ich habe kein richtiges Wort dafür – wie eine Art Bewunderung. Ich weiß, was meine Freund/innen können (also, ich schätze natürlich, wer sie sind, wie usf.), und mag sie dafür (eben: auch). Ich bin ja auch nicht mit den Ober-Leistungsträger/innen meiner Generation befreundet. Das heißt, Können ist nicht der Standard für meine Freundschaften, aber etwas, was ich auch gerne beflügeln möchte. Insofern hinkt da eben auch keine/r Erwartungen hinterher, es geht mehr darum, mehr Luft nach oben zu spüren, und für sich in Anspruch zu nehmen.
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smilane 13. September 2019
… unter dem Gesichtspunkt:.. ich weiß was meine Freunde können…. bekommt das eine ganz andere … hmmm…. welches Wort wähle ich nun…. Sicht, einen anderen „Inhalt“ „Ausdruck“, Dynamik ….. aber ich verstehe was du meinst…..
…🤔 da möchte ich fast das Wort „Erwartungen“ zurück nehmen, aber auch nicht durch „Maßstab“ ersetzen….
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finbarsgift 13. September 2019
Der gegenseitige Erwartungsdruck ist heutzutage enorm, ratzfatz sollte jeder Auftrag erledigt werden und am besten noch besser als gedacht …
An Gänge herunterschalten denkt kaum mehr jemand, wie auf der Autobahn, ganz links.
Schöner Beitrag, erinnert daran, wie seltsam das doch alles ist.
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Stephanie Jaeckel 13. September 2019
Ja, wobei es bei meinen Freund/innen ja nicht darum geht, dass sie Aufträge erledigen. Eher, dass sie etwas Tolles hinbekommen.
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Myriade 13. September 2019
Interessant finde ich, wo denn da die Lebensqualität bleibt …..
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Stephanie Jaeckel 13. September 2019
Ich habe das große Privileg, den Job zu machen, den ich mir ausgesucht habe. Insofern ist Gasgeben, in dem was ich mache, Lebensqualität. Anstrengung ist ja nicht an sich schlecht. Da würden ja schon alleine alle Sportler/innen Sturm laufen – obwohl ich gerade da nie verstehe, warum ich schwitzen soll, nur um ins Ziel zu kommen 😉
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Myriade 13. September 2019
Das macht natürlich einen großen Unterschied, ob man seinen Beruf gerne ausübt ….
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kormoranflug 13. September 2019
Auch mein Motto entweder gar nicht oder mir voller Energie. Die Gemütlichen fallen dabei herunter und denen gruselt es vor mir. Vielleicht bin ich ein wirklicher workoholic. Ohne Auftrag habe ich den Blues.
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Michel 13. September 2019
Ich finde es schön Dinge mit einer gewissen Eleganz zu machen, auch wenn das gar nicht immer unbedingt notwendig ist.
LG
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