Echt jetzt?

Ich habe keine große Begabung für Glück. Nicht, dass ich nicht gelegentlich welches hätte. Großes sogar. Nicht, dass ich es mir nicht gerne vor die Füße fallen sehe. Im Gegenteil. Mein Leben ist oft eng. Glück ist darin wie eine Lichtung, ein Platz zum Ausruhen, eine Picknick-Gelegenheit mit Freund/innen. Ein Feiertag (mindestens). Aber ich bin oft mit dem Glücklichsein überfordert.

Erst dachte ich, das sei Übungssache. Wer nicht so oft Sechs Richtige hat, ist überfordert, wenn da mal was vorbeischwebt: Ich!? Das kann doch nicht sein!? Hurra! Toll. Jipppieee! Und – pfff: wohin denn jetzt mit dem Überschwang? Ich meine, wenn ich Glück habe, wirbele ich vor Freude. Und finde die Bremse nicht mehr. Es ist fast so ein bisschen, wie sich ganz arg verknallen. Dauergrinsen, Schmetterlinge im Bauch, nix mehr essen können, nicht mehr arbeiten können, an Schlaf ist auch nicht mehr zu denken. Abheben, die Füße nicht mehr auf den Boden kriegen. So ungefähr.

Und dann schwebe ich so rum. Hummeln im Hintern, Musik passt, vor allem laut, Törtchen statt Butterbrot, wen kann ich noch anrufen? Und noch eine Ladung Konfetti. Spätestens hier sehne ich mich nach meinem Alltag zurück. Weil ich das Gefühl habe, aus der Form zu gehen. Das bin ich nicht mehr. Da ist zu viel Luft drin. Besser mal ganz schnell die Luft anhalten.

Nein. Das ist kein Plädoyer fürs Unglücklichsein. Es ist keine Beschwerde und, tatsächlich, ich habe in mancher Hinsicht gelernt, mit Glück besser umzugehen. Denn früher war ich mir mit dem Gefühl sehr fremd. Heute nehme ich das Glück eher an, und zwar dankbar, nicht mehr so vollkommen verdattert. Ich habe auch entdeckt, dass es noch eine andere Art von Glück gibt: eine, die sich ergibt, wenn ich Schwierigkeiten meistere. Das ist in gewisser Weise das Gegengewicht zum Glück, das vom Himmel fällt. Ich merke: Gemeinsam bilden sie ein Ganzes. Das „aktive“ Glück, das ich selbst in der Hand habe (und natürlich auch immer wieder versemmele), und das „passive“ Glück, das Fortuna mir gelegentlich vorbei schickt. Offensichtlich braucht es für mich diese beiden, wie zwei Füße, mit denen ich dann wieder auf dem Boden stehen kann. Ganz zu schweigen von dem „kleinen“ Glück, das im Grunde immer da ist. Die Sonne scheint! Und Dortmund hat gewonnen…

Filed under: Allgemein

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Wer die Welt erkennen will, sollte genau hinsehen. Schon als Kind habe ich mir häufig die Augen gerieben und - wenn es sein musste - noch einmal hingeschaut. Mittlerweile arbeite ich als Journalistin und als Autorin. Auch hier ist das genaue Hinsehen, keineswegs das Schreiben, die, wenn man so will, Kerntätigkeit. Doch während ich meinen Blick bei der Arbeit fokussiere und das Gesehene zu allen möglichen Richtungen hin ausleuchte, möchte ich in meinem Blog kurze Blicke wagen. Wer zurückschaut, ist herzlich willkommen.

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