„Created in the USA“ – klar, so eine verrückte Idee kann ja wohl nur aus Amerika kommen! Mit Nadel und Faden die Welt verbessern? Wo ich seit der Schulzeit nie mehr gestickt habe??? Um das vorwegzunehmen: Meine Handarbeit sah – wie schon zu Schulzeiten – gewöhnungsbedürftig aus. Aber natürlich fanden das alle „Great“ und ich habe mich trotzdem gefreut, auch wenn das Lob doch sehr weit an der Realität vorbeiging… Worum es geht?
Kleine Stoffstücke besticken. Vorgedruckt sind entweder die ganze Welt oder eines der vielen Länder dieser Erde. Es geht um Wünsche oder Visionen, wie ein friedlicheres Miteinander gelingen kann, ein Leben ohne Rassismus oder Unterdrückung, ohne Verachtung und Ausgrenzung, oder zumindest mit einem wachen Willen, immer wieder gegen Gewalt und Hass aufzustehen. Und dann sticken? Kam mir irgendwie erst mal auch albern und ein bisschen zu „hugge“. Aber die Stimmung war nett und ich habe mich zu den anderen an einen Tisch gesetzt, jaja, da stickten auch Männer.
Und beim Sticken habe ich anderen zugehört und mir Gedanken über das gemacht, was ich für eine gute Welt tun kann. Schon bald kam ich ins Gespräch mit zwei jungen Frauen, die gerade ihren Master-Abschluss machen und nebenher in Gedenkstätten arbeiten. Es war interessant, wie sie die augenblickliche gesellschaftliche Situation einschätzen, umgekehrt konnte ich ein paar Erinnerungen auspacken, denn eine der beiden schreibt ihre Abschlussarbeit über Klassenreisen aus dem Westen in die damalige DDR. Ich war zwar nicht mit der Schule, dafür aber mit den Pfadfinderinnen in West-Berlin inklusive eines Tagesausflugs nach Ost-Berlin. Ich hatte ewig nicht mehr daran gedacht.
Vielleicht ist es am Ende eben „nur“ das: Mit „Fremden“ ins Gespräch kommen. Von den drei netten Amis auf dem Foto habe ich erfahren, dass die kleinen Stoffstücke zu einer großen Flagge zusammengenäht und im Frühjahr u.a. auch in Los Angeles, im Atelier der ideengebenden Künstlerin gezeigt werden. Was soll ich sagen? Ich fahre nächstes Frühjahr nach Los Angeles – eine schöne Gelegenheit, in dem Atelier mal vorbeizugehen. Und schon lerne ich wieder Menschen am anderen Ende der Welt kennen. Ist es nicht das, was so dringend nötig ist? Und so – befreiend?
Neugierig: Bis morgen noch vor der AGB auf dem Blücherplatz: Mend the World. http://www.BLDG61.org
Achim Spengler 16. September 2018
Dringender nötig ist zu sehen, dass aus der westlich zentrierten Sicht Amerikas Westküste nicht das Ende der Welt ist, und das Gespräche mit Fremden bedeuten sollte, mit wirklichen Fremden zu reden. Aus der bequemen Sicht des westlichen Zentrismus ist der Fremde, das Fremde erst noch zu entdecken.
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Stephanie Jaeckel 16. September 2018
Naja. Wer in der westdeutschen Provinz aufgewachsen ist, sorry, aber für den ist Amerikas Westküste schon ziemlich das Ende der Welt. Auch für prekäre Existenzen in Kreuzberg, die sich keine Reise nach Afrika, nach Japan oder Australien leisten können, weil sie entweder kein Geld oder nicht genug Zeit haben. Für mich ist jeder Mensch, den ich nicht kenne, erst mal ein/e Fremde/r. Ich unterteile da nicht nach wirklich oder nicht wirklich. Mir erscheint alles andere eher die bequeme Art des europäischen Exotismus.
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Achim Spengler 16. September 2018
Wir haben die Möglichkeit, mit asylsuchenden Flüchtlingen zu reden. Auch in Kreuzberg, in der deutschen Provinz. Nur mal so als Beispiel.
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Stephanie Jaeckel 16. September 2018
Wie kommst Du darauf, dass ich nicht mit asylsuchenden Menschen rede? Ich verwahre mich einzig gegen die Idee, dass Fremde immer nur die andersfarbigen, die anderssprachigen, kurz, die Exot/innen sind. Meine deutsche neu eingezogene Nachbarin aus dem Harz ist mir erstmal genauso fremd wie die Bürokollegen aus Syrien. Und ist es nicht ebenfalls hochnäsig zu denken, wir Europäer/innen könnten jetzt unserer begrenzten Sicht der Dinge entkommen und global denken, nur weil wir mehr Möglichkeiten haben als Menschen in anderen Nationen?
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Achim Spengler 16. September 2018
Ein Mensch aus einem anderen Kulturkreis ist mir fremder als ein neuer Kollege aus dem Harz. Es gibt die graduellen Abstufungen des Fremden. Es wäre wiederum hochnäsig zu glauben, dass es diese Abstufungen nicht gibt. Und ja, wir Europäer hatten und haben eine begrenzte Sicht der Dinge, und wie es sich leider zeigt, entkommen wir ihr nicht, auch wenn die Fremden zu uns kommen. Belassen wir es bei diesen unterschiedlichen Sichtweisen.
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Stephanie Jaeckel 16. September 2018
Nein. Diesmal belasse ich es nicht bei den unterschiedlichen Sichtweisen. Niemand entkommt begrenzten Ansichten, das ist eine menschliche Konstante, die allen, auch Menschen in anderen Ländern, Probleme bereitet. Ich kann mir unter graduellen Abstufungen des Fremden nichts vorstellen und möchte es auch gar nicht. Ein anderer Mensch ist ein anderer Mensch. Punkt. Es gibt extreme kulturelle Unterschiede. Meine japanische Kollegin konfrontiert mich quasi täglich damit. Aber das ist keine Fremdheit, sondern einfach eine andere, meinetwegen auch gegensätzliche Sicht der Dinge. So lange wir Abstufungen zwischen uns stellen, werden wir uns nicht als gleich verstehen können. Gleich im Sinne von Bewohner/innen dieses Planeten. Nicht unbedingt gleich als Individuen. Indem Du mich als hochnäsig, bequem und eingeschränkt einstufst – zumindest legen Deine Kommentare nah, dass Du mir diese Sichtweise unterstellst – beleidigst Du mich, wenn auch indirekt. Ich mache sicher Fehler, ich bin weder die liebe noch die böse Göttin, noch sonst eine Instanz, die über den Dingen schwebt. Aber ich möchte mich nicht abkanzeln lassen für Meinungen, die ich öffentlich teile. Einer Diskussion stelle ich mich gerne, wie Du auch schon das letzte Mal gesehen hast, aber ein Abbruch des Gesprächs mit dem Verweis auf unterschiedliche Sichtweisen akzeptiere ich nicht. Das ist von oben herab und es lässt vermuten, dass Du keinen Austausch suchst. Ich wäre dankbar, wenn Du meinem Blog nicht weiter folgen würdest.
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Achim Spengler 17. September 2018
Ich korrigiere mich und sage, dass es Abstufungen dessen gibt, was wir als fremd empfinden (Im Sinne von: das befremdet mich mehr oder eben weniger). Ich glaube schon, dass wir Empfindungen dieser Art alle schon einmal gemacht haben. Das heisst aber nicht, dass ich dem sogenannten Kulturalismus das Wort rede, der in Europa, insbesondere in Deutschland aktuell zu beobachten ist. Diesen kulturellen Rassismus weise ich von mir, da er Ausgrenzung immer dort betreibt, wo er die Karte der biologischen Rasse nicht mehr ziehen kann. Darauf wollte ich hinweisen. Weder habe ich dich beleidigen wollen, noch finde ich dich hochnäsig, bequem und eingeschränkt, noch wollte ich arrogant auftreten und von oben herab.
Meine Kritik war allgemein gehalten, sie bezieht sich auf Europa, oder den Westen. Und natürlich auch auf mich, wenn du so willst, da ich Europäer bin.
Ich würde deinen Blog gerne weiter verfolgen. Es ist deine Entscheidung mir den Zugang zu ihm zu verwehren.
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Stephanie Jaeckel 17. September 2018
O.K. das habe ich verstanden. Und bin auch erleichtert, über das, was Du antwortest. Schreiben ist ein schmaler Grat und Missverständnisse schnell bei der Hand. Danke für Deine Erklärung, ich hatte es wirklich anders verstanden! Insofern: ich lasse mich auch weiter gerne auf Diskussionen ein, auch hier.
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Achim Spengler 17. September 2018
Das ist schön, danke!
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