Snoopy: Attacke!

Nein, es gibt nicht nur Schweine im All. Seit ich weiß, dass Snoopy ein großer Enterprise-Fan ist, hat er bei mir einen Stein im Brett. Es gibt sogar einen silbernen Snoopy-Award bei der NASA:

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Tatsächlich kann Snoopy auch in der Original-Serie fliegen: Hier ist er – bzw. träumt er sich als – Pilot eines kanadischen Doppeldeckers aus dem 1. Weltkrieg, und jagt – bis zuletzt vergeblich – den deutschen Kampfflieger Manfred von Richthofen. Für mich einer der Gründe, weshalb ich „Peanuts“ nicht unbedingt als Kinderserie verstehe: Welches Kind hat schon den 1. Weltkrieg auf dem Schirm? Als ich klein war, kannte ich Snoopy sowieso nur als überlebensgroßen Stoffhund. Die Geschichte von Charly Brown und seiner Gang las ich erst später.

Mittlerweile gibt es „Peanuts für Kids“. Der Verlag Carlsen-Comics bringt die Bände heraus, „Snoopy Attacke!“ ist 2017 als Nummer 3 erschienen. Die Kinder-Bände sind kein „harmloser“ Abklatsch der Original-Serie. Wir sehen die Abenteuer lediglich aus Snoopys Perspektive, das heißt, „Attacke!“ ist wie ein Tagebuch des durchgeknallten Comic-Hundes zu lesen. Indem Snoopy zur Hauptfigur wird, bekommen die einzelnen Episoden mehr Zug, das heißt, wo im Original die Perspektiven wechseln, und damit das Aneinander-Vorbei der Figuren deutlich wird, bleibt bei Snoopy zunächst alles auf eine Figur und damit auf einen durchlaufenden „Stream of Conciousness“ beschränkt.

Doch dass Realität nicht per se existiert, sondern mit Fantasien, Träumen und Erinnerungen angereichert ist, zeigt auch Snoopys Blick in die Welt. Snoopy nämlich läuft die meiste Zeit als „Flieger-Ass aus dem Ersten Weltkrieg“ herum, statt als sturznormaler Haushund. Woher er die Idee hat, weiß ich nicht. Immerhin liest der Hund bei Schulz und sieht fern. Für Kinder mag das einfach der Wunsch eines kleinen Hundes sein, als groß und bedeutend zu gelten. Das Ausmaß einer solchen Heldenverehrung dämmert sicher nur Erwachsenen. Aber was Kinder aus eigener Erfahrung kennen, und was ich so bislang weder in Kinderliteratur oder Kinderfilmen gefunden habe, ist diese gespielte oder fantasierte Verwandlung des eigenen Ichs in ein Idol. Dabei ist die Diskrepanz zwischen Realität und Fantasie an sich schon komisch, während Snoopy einfach nur über die Wiese läuft, denkt sich „das Flieger-Ass aus dem Ersten Weltkrieg“ auf dem Flugfeld oder wenn er ganz unrühmlich von der Hundehütte fällt, fantasiert er eine „Bruchlandung, direkt in einen Granattrichter“…

An anderen Tage  ist Snoopy auch schon mal ein Geier, ein Berglöwe, die Grinsekatze aus „Alice im Wunderland“ oder ein Leopard, als Piranha beißt er Linus ins Bein. Während die Kinder Snoopy und seine Verwandlungsfantasien gut kennen, gibt es hin und wieder doch krude Überraschungen, denn wer kann schon ahnen, dass Linus in seiner Fantasie gerade den Amazonas durchschwimmt, und deshalb Snoopy, der ihn ins Bein beisst, als Piranha erkennt.

Überhaupt sind es Wiederholungen, die die Peanuts-Folgen prägen und deren Witz ausmachen. So erzählt uns Schulz in immer neuen Variationen, wie Charly seinen Hund füttert: Mal will der Hund nicht das, was er bekommt, dann hätte er gerne eine Tischrede oder den Napf so platziert, dass er auf dem Dach liegend fressen kann. Dann mag er sein Butterbrot nicht, quengelt an Thangsgiving nach Preiselbeeren oder will unbedingt ein Buffet aufgetischt bekommen. Dass Charly Brown ihn so geduldig bedient, macht Charly übrigens sympathisch: Wer liebt nicht kleine Jungs, die ihrerseits ihren Hund lieben, auch wenn er nachts mal wieder nass und stinkend im Bett liegt, weil es draußen regnet, und dem Herrn Fliegerass nicht zuzumuten ist, in seine Hütte zu kriechen.

Doch, „Snoopy Attacke!“ ist ein Comic für Kids. Die einzelnen Episoden sind klug aneinander gereiht, so dass wir den Spass an den Wiederholungen genießen können: Wenn Snoopy einmal mehr nicht das Stöckchen holt, nicht den Schnee schippt, nicht in der Hütte schläft oder dann eben doch einem Ball hinterherrennt oder das Inventar seiner abgebrannten Hütte (immerhin ein echter van Gogh) betrauert. Was unverständlich bleibt – kennen wirklich alle „Alice im Wunderland“? Wer war von Richthofen? Und warum wartet Charly Brown auf den großen Kürbis? – liest sich weitgehend weg, weil die Pointen auch ohne genaues Wissen funktionieren. Doch wer erwachsen ist, und wer Snoopy schon als Kind kannte, mag besondere Freude an den Bänden haben. Denn eins sind sie vor allem nicht: niedlich. Oder einem vermeintlich kindlichen Niveau angepasst.

 

 

 

 

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Wer die Welt erkennen will, sollte genau hinsehen. Schon als Kind habe ich mir häufig die Augen gerieben und - wenn es sein musste - noch einmal hingeschaut. Mittlerweile arbeite ich als Journalistin und als Autorin. Auch hier ist das genaue Hinsehen, keineswegs das Schreiben, die, wenn man so will, Kerntätigkeit. Doch während ich meinen Blick bei der Arbeit fokussiere und das Gesehene zu allen möglichen Richtungen hin ausleuchte, möchte ich in meinem Blog kurze Blicke wagen. Wer zurückschaut, ist herzlich willkommen.

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