Hüh oder hott?

Frau sein und alt werden. Das ist in etwa so wie die Quadratur des Kreises. Frauen sollen so lange wie möglich jung bleiben, obwohl sie wie alle anderen Lebewesen unweigerlich altern und wer sich mit letzterem abfindet, wird in der Öffentlichkeit – zumindest beschreiben das viele Frauen so – unsichtbar. Mir ist in letzter Zeit noch ein anderer Verdacht gekommen: wenn ich mich immer nur mit meinem vergangenen Bild beschäftige, und es immer noch mal und noch mal zu erreichen suche, wende ich mich zurück, und nicht nach vorn, wie ich das für mich selbst eigentlich wünsche. Ich will in die Zukunft. Deshalb bin ich vielleicht gar nicht so an der Rekonstruktion eines vergangenen Bildes von mir interessiert.

Trotzdem nagt natürlich der Zweifel. Vor allem in so verführerischen Sätzen wie: Du könntest doch die grauen Haare färben lassen. Ja klar, könnte ich. Es sind noch gar nicht so super viele. Ein paar blonde Strähnen mehr, alles wäre wieder im jugendlichen Bereich. Auch anderes wäre noch mit „könnte“ und „geht doch“ zu reißen. Vielleicht pro Monat 100,00 € mehr an Ausgaben, kein wirkliches Desaster. Noch bin ich in einem Zwischenbereich. Mehr Sport, andere Kleidung, Farbe im Haar, regelmäßig die Kosmetikerin, mehr Wellness.

Ich bin neidisch auf die Frauen, die das können. Sich von ihrem Älterwerden distanzieren. Ich schaffe es nicht. Keine Ahnung, warum. Vielleicht, weil es wirklich etwas mit einer Rückwärtsbewegung zu tun hat. Vielleicht, weil es auch etwas ist, mit dem wir den Tod – wenn auch nur symbolisch – aufhalten. Ich werde sterben und ich gehe von Tag zu Tag auf diesen Moment zu. Jung bleiben ist in etwa so wie auf die Bremse treten. Will ich das?

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Wer die Welt erkennen will, sollte genau hinsehen. Schon als Kind habe ich mir häufig die Augen gerieben und - wenn es sein musste - noch einmal hingeschaut. Mittlerweile arbeite ich als Journalistin und als Autorin. Auch hier ist das genaue Hinsehen, keineswegs das Schreiben, die, wenn man so will, Kerntätigkeit. Doch während ich meinen Blick bei der Arbeit fokussiere und das Gesehene zu allen möglichen Richtungen hin ausleuchte, möchte ich in meinem Blog kurze Blicke wagen. Wer zurückschaut, ist herzlich willkommen.

Comments 23

    • Stephanie Jaeckel 2. April 2018

      Hm, doch, ich denke durch regelmäßiges Training (ich meine nicht übermäßiges), durch genau kalkulierte Ernährung, durch – sagen wir sanfte – Schönheitskorrekturen mit Cremes, professioneller Pflege, durch Urlaube und meinetwegen auch kleinen chirurgischen Eingriffen kriegt man schon ein Ergebnis. Ich sehe mittlerweile viele Frauen in meinem Alter, die durch „Korrekturen“ im weitesten Sinne weiter frisch aussehen. Und doch: mir gefällt das. Ich weiß eben nur, dass der Aufwand im Laufe der Zeit immer höher wird – macht es da Sinn, überhaupt anzufangen. Oder genau die Frage: Ist es schlimm, dass man mittlerweile sieht, dass ich über fünfzig bin?

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    • Stephanie Jaeckel 2. April 2018

      Nee, also wir altern nicht alle gleich schnell – weder äußerlich, noch innerlich – da gibt es wirklich verschiedene Geschwindigkeiten. Ich würde sagen, allein die Zahl der gelebten Tage macht es hier eben nicht. Ansonsten: natürlich kann jede/r: Ich habe einzig und alleine von mir geschrieben. Und von meiner Ratlosigkeit. Das ist keine Richtlinie für andere…

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  1. kat. 2. April 2018

    Ich glaub es dauert einfach eine Zeit, bis
    Frau dazu stehen kann, dass sie einfach nicht mehr die Figur einer 30 jährigen hat und trotz Sport auch nicht mehr bekommt, dass die Haare grau werden und trotz färben eine unnatürliche Farbe haben ,die einfach nicht passt. Das braucht Zeit und Selbstbewusstsein, sich gegen die Versprechen der AntiAge Industrie zustellen und sich so zu akzeptieren wie man ist. Auch Männer haben Schwierigkeiten glaub ich. Manch einer kämpft wiemwild gegen die Schwellung in der Körpermitte, aber trotz Sport verändert sich auch eine Männerfigur odermist trotz Sport und Training nicht mehr zu einem Adonis zu machen. Ist einfach so. Und irgenwann und irgnedwie auch schön. Der Lauf der Zeit eben. Liebe Grüße Katrin

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    • Stephanie Jaeckel 2. April 2018

      Ja, das bemerke ich auch, dass ich mittlerweile die Zeichen des Alterns an anderen Menschen schön finden. Ich denke nicht mehr, „Oh, der hat ja jetzt auch Falten“, ich bin einfach gerührt. Eben auch, weil wir uns verändern. Wir sind eben keine Objekte. Haare färben funktioniert ja mittlerweile enorm gut. Unnatürliche Farben gibt es kaum noch – jedenfalls hier in der Großstadt (hahaha). Deshalb ist es auch so verführerisch. Geht eben Zacki, Zacki. Mir machen eben die Frauen und Männer etwas aus, die es schaffen, immer noch wie vor 10 Jahren auszusehen, gleichzeitig – und nicht, um sie runterzumachen – merke ich, dass für mich da etwas nicht stimmt. Wahrscheinlich werde ich eher den Lauf der Zeit verkörpern. Und ich bin froh, damit nicht alleine zu sein…

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  2. Elisabeth Lindau 2. April 2018

    Stell‘ dir mal vor, du hättest keine Lachfältchen – in deinem Alter, das wäre doch echt peinlich, sozusagen. Ich habe mal gelesen von einer Frau, die ihr Leben lang nicht gelacht hat, um Falten zu vermeiden. Also – sie hat im Grunde nicht gelebt.
    Für mich ist es auch einfach die Frage, wie ich meine Zeit verbringe. Gegen das Alter (oder seine sichtbaren Erscheinungen) anzukämpfen, kann ja ausgesprochen zeitintensiv – und auch kostspielig – werden. Dazu habe ich einfach keine Lust, weil es so viel Besseres und Interessanteres gibt. Was vielleicht auch jung hält … Einfach, weil man viel Freude daran hat und sich nicht so über sein Aussehen grämt.

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    • Stephanie Jaeckel 4. April 2018

      Ich bin völlig verknittert vom Lachen. Allerdings auch vom streng nachdenken. Klar, wenn ich begeistert arbeite oder mich beschäftige, ist das oft mehr wert, als wirklich alles andere. Aber gerade in letzter Zeit irritiert mich genau dieser Moment so: Ich hatte einen tollen Tag und ich sehe total schrecklich aus. Das kommt für mich einfach noch nicht zusammen.

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      • Elisabeth Lindau 4. April 2018

        „Völlig zerknittert vom Lachen“, das ist eine tolle Formulierung, da muss ich gleich lachen. Wenn du schrecklich aussiehst, obwohl es ein guter Tag war, dann liegt es am Spiegel. Vielleicht fährst du am Abend mit der Bahn und schaust dein Spiegelbild im Fenster an. Also, da sieht jeder schrecklich aus …
        Aber im Ernst: ich hab‘ auch so meine Probleme, zumal der Alterungsprozess immer in Schüben zu kommen scheint. Von einem Tag auf den anderen werde ich immer gleich ein paar Jahre älter. Dann hoffe ich, dass die anderen das nicht merken. Ehrlich gesagt, merke ich es bei den anderen (Freunden und Freundinnen, die ich regelmäßig sehe) auch nicht so sehr. Auf jeden Fall altert man jetzt im Frühling erstmal nicht !!

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        • Stephanie Jaeckel 4. April 2018

          Was? Ich habe das Gefühl, das ist wie mit dem Frühjahrsputz: Jetzt, wo es wieder so hell ist, sieht man jedes Stäubchen – und eben: leider auch jede Falte… – aber gut, ich will den Frühling dennoch begrüßen, tatsächlich wird ja meist die Laune besser. Und dann ist es mir irgendwann wirklich egal, wie ich aussehe…

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  3. Tanja im Norden 2. April 2018

    Der Ansatz ist gar nicht schlecht.
    Würde ich 100 € im Monat zusätzlich ausgeben wollen, um ein aus mir selbst heraus entstandenes Bedürfnis zu erfüllen (mal vorausgesetzt ich habe das Geld übrig)? Ja, vermutlich schon. Mein Reisebudget ist da in den meisten Jahren gut drüber.
    Würde ich das Geld ausgeben wollen, um das zu erfüllen, was ich für die Erwartungshaltung meiner Umgebung halte, was mir selber aber ziemlich egal ist? Eher nein. Es sei denn, ich sehe es als ‚knallhart‘ durchgerechnetes Investment. 100 € (und der Zeitaufwand, Friseursitzen dauert schließlich) mehr für’s Aussehen bringen mir x € mehr Einkommen – äh, nein, verlaufen, nicht meine Welt.

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    • Stephanie Jaeckel 4. April 2018

      Wenn ich nur wüsste, was mein Bedürfnis ist und was von außen kommt. Ich meine, gefallen wollen ist eben drinnen und draußen. Und ehrlich, mein Gesicht ist gerade nicht das, was ich morgens im Spiegel sehen will (nee, sonst auch nicht). Das fällt mir schwer (und das wäre ja nur der Anfang)…

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  4. Madddin 25. Juli 2018

    Mir ist das Problem mit dem Älterwerden, das andere Leute anscheinend haben, suspekt. Wodurch lässt man sich unter Druck setzen? Ist es die Angst, Anerkennung oder gar Zuneigung und Liebe zu verlieren? Wenn diese Geschenke vom Alter abhängen, hat man zuvor auf die falschen Freunde oder Partner(innen) gesetzt. Bei meiner Arbeit in der Apotheke darf ich immer wieder feststellen, dass die Leute, größtenteils Frauen, aber auch Männer, Unsummen für aufwendige Kosmetika, ‚Superfood‘, Vitamine. Mineralstoffe, Säureregulantien und anderen Schwachsinn ausgeben. Ernährt euch gesund, trinkt reichlich und bewegt euch in Maßen, und vor allem: lasst euch nicht durch Werbung und gesellschaftlichen Druck fremdsteuern. So, das musste mal raus.

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    • Stephanie Jaeckel 25. Juli 2018

      Druck? Dass das Leben immer kürzer wird. Dass die Knochen weh tun, wo gestern noch nicht. Dass man Dellen, Knitter und Falten bekommt, wo eben noch alles schön glatt und zart war. Und wäre es wirklich so egal, Liebe oder Zärtlichkeit zu verlieren? Anziehung und Begehren sind nicht die Hauptbewegungen zwischen Freunden. Liebe trifft natürlich oft die Falschen. Warum hätte Amor sonst die Augen verbunden? Aber darauf leichten Herzens verzichten? Weiß nicht. Keine Sorge, ich esse sogar Gummibärchen. Und in der Apotheke habe ich noch nie etwas anderes geholt als verschriebene Medikamente und Aspirin. Freundschaft und Liebe sind immer zwei verschiedene Paar Schuhe. Auch wenn es gewisse Überkreuzungen gibt. Alter und Jugend dito. Dabei bleibe ich.

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  5. Madddin 25. Juli 2018

    Ach, so ein schwieriges Thema, vor allem in ‚brieflicher Form‘. Ja, das Leben wird immer kürzer und die Gebrechen haben mich längst eingeholt, ich bin vor ein paar Tagen 58 geworden, aber das spielt(momentan?) einfach keine Rolle. Vielleicht habe ich eine rosarote Brille auf, aber ich bin zur Zeit glücklich, viel glücklicher als vor 10 oder 15 Jahren.

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    • Stephanie Jaeckel 25. Juli 2018

      Ja, natürlich. Oder: Ich bin auch viel glücklicher als vor 10/15 Jahren. Aber das Alter nagt eben trotzdem – oder an einer anderen Stelle. Dinge sind nicht so einfach Eins : Eins zu setzen. Glück ist auch ohne Schönheit oder mit Falten möglich. Einerseits. Andererseits gibt es Befürchtungen. Oder eben diese Art des Unsichtbarwerdens. Ich verändere mich an manchen Stellen nicht willentlich. Das kann eben kränkend sein. Oder ein Krankheitszeichen – und dann schmerzhaft. Männer haben übrigens nach wie vor einen Altersbonus, die weißen Strähnen wirken komischerweise im Herrengesicht attraktiver als bei Frauen. Jedenfalls im Mainstream. Ich selbst bin gerade ganz verliebt in weiße Haare, egal an wem…

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