Schönheitsideal

Ich beschäftige mich gerade mit Johann Winckelmann, einem Schriftsteller des 18. Jahrhunderts, der das Schönheitsideal seiner Zeit wesentlich mitprägte. Er war begeistert von den antiken Skulpturen, die damals in Rom und Umgebung wieder ausgegraben wurden. Hier, in der Vergangenheit, liege das Vorbild universeller Schönheit, namentlich griechische Künstler seien Meister gewesen, deren Werke Vorbild sein müssten, auch wenn diese Vorbilder nie mehr – so jedenfalls Winckelmanns Ansicht, erreicht werden könnten. Man mag an das „goldene Zeitalter“ denken, jenes Paradies der Menschheit, das von vielen in die Frühzeit gedacht wurde, in eine Ära, in der die Menschen vermeintlich „unschuldig“ und glücklich im Schoß der Natur lebten.

Es ist ein mit Trauer gemischtes Ideal, ein ewiges Hintanstehen gegenüber der wahren Schönheit. Alles, was wir heute – so Winckelmann – erreichen können, ist die Nachahmung des Wahren. Und das Wahre war – in menschliche Schönheit umgemünzt – ein schlanker, trainierter Körper. Das Ideal war ein sportlicher Mensch, der sich bewegte und zur Not auch fastete, um gut auszusehen. Natürlichkeit ist Trumpf. Wem hier nicht die Ohren klingeln…

Winckelmann war ein Kind des Barockzeitalters. Hier war es ein eher wohlgenährter, korpulenter Körper, der schön genannt wurde. Es war der lust- und genußfreudige Mensch, der sich jedoch in der Öffentlichkeit gezügelt zeigen musste: Korsetts und die kompliziert aufgebauten Damenfrisuren, bzw. Perücken der Herren sprechen davon. Weiße Haut, mit Rouge gerötete Wangen und kohlengeschwärzte Augenbrauen standen des weiteren hoch im Kurs.

Klar ist: ein Ideal schert alle über einen Kamm. Und ebenso klar, zumindest, wenn wir Winckelmann folgen: ein Ideal ist per se nie zu erreichen. Insofern ist mir die barocke Zeit sympathischer. Es ging ausgelassener in der Mode zu und phantasievoller. Zumal auch Männer sich noch schmücken durften. Dennoch, die „klare Linie“ scheint auch etwas zu sein, was Menschen seit eh und je und rund um den Erdball begeistert. Das Foto habe ich im Asian Art Museum in San Francisco gemacht. Und leider nicht notiert, wessen wundervollen Bauchnabel wir hier sehen. „Edle Einfalt, stille Größe“ – Winckelmann hätte sicher seine Freude gehabt!

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Wer die Welt erkennen will, sollte genau hinsehen. Schon als Kind habe ich mir häufig die Augen gerieben und - wenn es sein musste - noch einmal hingeschaut. Mittlerweile arbeite ich als Journalistin und als Autorin. Auch hier ist das genaue Hinsehen, keineswegs das Schreiben, die, wenn man so will, Kerntätigkeit. Doch während ich meinen Blick bei der Arbeit fokussiere und das Gesehene zu allen möglichen Richtungen hin ausleuchte, möchte ich in meinem Blog kurze Blicke wagen. Wer zurückschaut, ist herzlich willkommen.

Comments 3

  1. Myriade 16. Februar 2018

    ein sportlicher Mensch, der sich bewegte und zur Not auch fastete, um gut auszusehen. Natürlichkeit ist Trumpf.
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    Das passt jetzt aber nicht so ganz zusammen. Diese Ideale sind ja oft nicht ganz kohärent, Entweder „arbeitet“ man an seinem Körper, oder Natürlichkeit ist angesagt. Es sei denn man geht davon aus, dass ein trainierter Körper der natürliche Zustand des Menschen ist ….

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    • Stephanie Jaeckel 16. Februar 2018

      Ja, der Widerspruch entsteht durch einen unscharfen Sprachgebrauch: „natürlich“ wird in dem Sinn von „körperlich“ verwendet, d.h. es sollen keine zusätzlichen Hilfsmittel wie Schminke oder Kleidung verwendet werden. Sport ist „natürlich“, weil der menschliche Körper auf Aktivität und Bewegung ausgelegt ist. So wird es uns ja heute auch nahegelegt.

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