Alles neu macht der —- April, April!

Ganz schön blöd, im April, mit seinen Wetterkapriolen die Fenster putzen zu wollen. Aber spätestens wenn die Osterglocken blühen und die Feldlerchen wie betrunken im Morgenhimmel hängen, sehne ich mich nach Frische und Durchblick – Hagelschauer hin oder her. In meinen Blumentöpfen wachsen Hornveilchen um die Wette: seit ich meine Abneigung gegen die einst als piefig missverstandenen Blühgenies abgelegt habe, explodieren Farben auf meiner Fensterbank, und dank robuster Konstitution bleiben die Schätzchen auch mal bis Juni und halten bis dahin tapfer dem einen oder anderen nächtlichen Frosteinbruch stand.

Man mag es Ostern nennen oder Frühjahr – es wächst mir jedes Jahr um diese Zeit ein neuer Schwung zu, ein Optimismus, dies oder das doch endlich angehen zu können. Keine Euphorie. Eher eine Zuversicht, das doch hinbekommen, oder zumindest auf den Weg bringen zu können. Je älter ich werde, desto klarer ist mir, dass das Licht für mich eine große Rolle spielt. Mögen Winterabende etwas gemütliches haben. Für mich muss Sonne her, damit mein Herz aufgeht. Übrigens gerne auch Sonne hinter Regenwolken.

Der Alltag im April ist – wenn Ostern, wie meist – in diesen Monat fällt, unregelmäßig. Es ist der erste Monat im Jahr, in dem bei mir so etwas wie Ferienstimmung aufkommt, das erste Drittel des Jahres ist fast vorbei, und damit auch Zeit, ein erstes Resümee zu ziehen. Tagsüber weit die Fenster aufmachen zu können, ist auch jedesmal ein glücklicher Moment. Ich muss mich nicht mehr gegen die Kälte verbarrikadieren. Die Vögel zwitschern bis an meinen Schreibtisch, ja, auch die erste fette Fliege hat hier schon ihre Runden gedreht – na, wenn’s denn sein muss…

Im Kleiderschrank gibt es den Jahreszeitenwechsel von Herbst/Winter zu Frühjahr/Sommer, und jedesmal empfinde ich diese Erleichterung, mich fortan nicht mehr in so viele Schichten packen zu müssen. Das Leichte, Luftige, Helle, ach! Ich höre meinen Körper regelrecht lachen vor Freude. Rundum Eierkuchen, möchte man meinen. Aber das ist es nicht. Kein Licht ohne Schatten. Der Karfreitag hebt sich scharf gegen die Aufbruchsstimmung ab. Woher nehme ich den Mut, weiter zu leben? Woher die Kraft, an den Abgründen zu stehen, ohne einen Weg zu finden? Die Gelassenheit angesichts aller Verluste? Die Hoffnung, genug von allem zu haben, um nicht nur weiter zu leben, sondern vielleicht auch noch liebenswert zu sein? Auch wenn es paradox erscheint: Genau diese Fragen gehören für mich in die Aufbruchstimmung des Aprils. Weniger Alltag also, viel Schwung und eine gehörige Portion Melancholie, das sind für mich die Tage im April. Und Ihr so?

Dieser Beitrag ist übrigens einmal mehr inspiriert von Ulli: https://cafeweltenall.wordpress.com/2019/04/05/alltag-6/

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Wer die Welt erkennen will, sollte genau hinsehen. Schon als Kind habe ich mir häufig die Augen gerieben und - wenn es sein musste - noch einmal hingeschaut. Mittlerweile arbeite ich als Journalistin und als Autorin. Auch hier ist das genaue Hinsehen, keineswegs das Schreiben, die, wenn man so will, Kerntätigkeit. Doch während ich meinen Blick bei der Arbeit fokussiere und das Gesehene zu allen möglichen Richtungen hin ausleuchte, möchte ich in meinem Blog kurze Blicke wagen. Wer zurückschaut, ist herzlich willkommen.

Comments 3

  1. Ulli 7. April 2019

    Liebe Stephanie, diesen Aufbruchwind im April teile ich mit dir, allerdings weniger die Melancholie, die hat jetzt doch seit einigen Monaten gewirkt und ich fröne dem Aufbruch, den Blüten und allem was nun mit Macht dem Himmel entgegenstrebt. Manchmal aber kann mich die Melancholie erneut im Sommer einholen, was für Viele ganz absurd erscheint. Ich bin eindeutig eine Frühjahrs- und Herbstfrau.
    Hab herzlichen Dank für deinen Beitrag,
    liebe Grüße
    Ulli

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  2. Pingback: Alltag 7 – Radierworkshop im Atelier – Dozentin Susanne Haun | Susanne Haun

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