Der Teilnehmer ist besetzt

Manchmal frage ich mich. Oder denke, das gute alte Besetztzeichen beim Telefon hat es eigentlich auch ganz gut getan.

Woanders ist Winter. Von dort auch das schöne Bild. Hier in Berlin ist es weitgehend grau und grau und sehr grau. Und kalt.

Ich bin traurig, dass Wolf Erlbruch gestorben ist. Was gefühlt noch mehr grau bedeutet.

Draußen hüpfen die Spatzen von Ast zu Ästchen ganz so, als wenn nix wäre (und vor allem nix Winter). Ob die nicht kalte Krallen haben? Aber schön, dass wenigstens einige völlig unbeeindruckt bleiben. Vielleicht der Hinweis, doch noch einen kleinen Spaziergang zu wagen. Oder zumindest eine Kerze anzuzünden.

Bastelstunde

Das Tolle an ungestylten Wohnungen ist, dass sie eine Menge Improvisation vertragen. Ich habe mir also ein Stück der legendären Silver Factory in die eigenen Vier Wände geholt und spare auch noch Heizkosten. Na, aber hallo!

Die erste Weihnachtsfeier des Jahres habe ich auch schon erlebt. Was soll ich sagen? Schön war es! Es gab chinesisches Essen an so einem runden Tisch mit drehbarer Platte. Und endlich mal die Gesichter vieler freier Mitarbeiter*innen zu sehen, die ich sonst nur dem Namen nach kenne.

Worauf ich mich auch schon freue: zum ersten Mal seit Jahren werde ich meine Aufträge vor Heiligabend abschließen und dann tatsächlich zwischen Weihnachten und Neujahr einmal frei haben. Lesen werde ich. Das habe ich schon beschlossen. Und zwei neue Kuchen und ein Brot ausprobieren. Und vielleicht streue ich lange Spaziergänge ein. Und endlich wieder eine Runde im Schwimmbad. Vorfreude also. Nicht das Schlechteste an einem grauen Dienstag. Und: Herzlichen Glückwunsch Peter Handke.

Einbruch in die Stille

Es ist das erste Adventswochenende. Gestern habe ich spontan beschlossen, das auch in mein Leben zu übernehmen. Das heißt, einen geschäftigen (durchaus „vernünftigen“) Wochenend-Termin sausen zu lassen.

Und dann lese ich heute, durchaus gemütlich, weil im Bett, einen Artikel im Perlentaucher, und werde hellwach. Weil, was dort über Übersetzer*innen zu lesen ist, 1:1 für Audioguide-Texter*innen oder auch freie Journalist*innen gilt. Ich übernehme den Perlentaucher-Text hier:

In der FAZ ärgert sich der Schriftsteller und Übersetzer Michael Kleeberg darüber, dass die Honorare fürs Übersetzen seit rund 20 Jahren stagnieren – nicht nur angesichts der zuletzt rapiden Inflation also de facto eine gravierende und fortschreitende Honorarkürzung. „Entweder werde ich unterbezahlt, oder der gesamte Berufsstand der literarischen Übersetzer wird unterbezahlt oder deutlicher: schamlos ausgebeutet. … Natürlich argumentieren die Verlage seit eh und je, solch eine Angleichung der Übersetzerhonorare an die wirtschaftliche Realität sei nicht darstellbar. In dieser Szene wird ja gerne mit der Apokalypse gearbeitet, also steht gleich die Zukunft des Buches auf dem Spiel, wenn Übersetzer einen angemesseneren Lohn verlangen. Aber die Bücherpreise haben ja halbwegs Schritt gehalten mit der Teuerung. Wenn die Übersetzer daran nicht teilhaben, wer dann? Ich weiß, dass die Buchhändler mehr als ein Drittel des Ladenpreises bekommen, Amazon angeblich sogar bis zu fünfzig Prozent, und ich weiß auch, dass ich mehr Verleger als Übersetzer kenne, die Mercedes fahren und ein eigenes Haus haben. Was tun?“

Ja. Was tun? Wenn man (gefühlt zumindest) immer die Einzige ist, die über das Honorar mault (=Original-Sprech). Jetzt ist die Stille natürlich im Eimer. Aber genau dafür sind meines Erachtens journalistische Medien da: Eine*n immer wieder aufzurütteln. In diesem Sinne: einen frohen Start morgen in den Advent!

Gefreut:

Das Kollektiv Wajukuu Art Project ermöglicht Kunst in einem Slum von Nairobi und war ein zentraler Teilnehmer der Documenta Fifteen. Nun bekommen seine Mitglieder den Bode-Preis der Stadt Kassel verliehen. Zugegeben, das Foto ist nicht besonders aussagekräftig, ich bleibe vorsichtig, wegen der Bildrechte. Aber die Installation der Gruppe, die den Eingang zur Documenta-Halle bespielte, hat mir ausgesprochen gut gefallen, ich habe wenig fotografiert auf der Schau, vom Waiukuu Art Project hatte ich am Ende eindeutig die meisten Bilder. Insofern freut mich der Preis.

Was war zu sehen? Müll und Zukunft. Wenn ich spontan und mit wenig Worten antworten sollte. Die Installation bestand hauptsächlich aus gefundenen Materialien, unter anderem Wellblech, wie auch mein Foto verrät. Ich. weiß nicht, ob dieses billige Baumaterial unbedingt an die Wellblechhütten der Slums in Nairobi erinnert (wie in Zeitungen zu lesen ist, klar wa, Afrika ist schließlich ein armes Land…), mich fasziniert Wellblech, seit ich denken kann. Es ist schön und möglicherweise zu mehr zu gebrauchen, als zum Bau von Schrebergarten- und Slumhütten (insofern Zukunft – ?)

„Hunger nach Überentwicklung“, so beschreibt ein Künstler des Kollektivs die heutige Zeit. Und dass dieser Hunger die Menschen schleift, bis sie keine Wesen mehr sind, sondern nur noch Körper. Was aber könnte eine Gesellschaft machen, um die Überentwicklung zu stoppen, beziehungsweise andere Ziele bereitzuhalten? Orte, an denen nicht konsumiert wird, zum Beispiel, oder wo keine Dienstleistungen zu bekommen sind. Orte, an denen Menschen sich einfach treffen können, und die trotzdem sicher und angenehm sind. Auch hier denken sicher viele wieder an die gefährlichen Situationen in Slums. Aber ehrlich: in unseren reichen Innenstädten sucht man solche Orte (überdacht und geheizt) ebenfalls oft vergeblich.

An anderer Stelle lese ich, die Idee sei, dass Leute in ihrer Kasseler Installation ins Gespräch kommen sollen. Und ja. Tatsächlich habe ich mich dort und nur dort mit einer Frau unterhalten, die ich nicht kannte. Sie fragte mich, was ich da sehe, und nachdem ich erst dachte, sie meine das im Sinn von „Was soll das denn sein?“, merkte ich schnell, dass sie wirklich wissen wollte, was ich sehe. Schönheit. Denn neben dem Wellblech gab es eine geflochtene schwebende Kapsel mit Körpern darin und ein beeindruckendes Messerrelief. Kreativität als menschliche Eigenheit. Das ist noch etwas, was das Waiukuu Projekt uns mit auf den Weg gibt. Das Leben besteht nicht nur aus Konsum. Wir können selber machen, improvisieren, nicht immer nur kaufen. Und das bedeutet dann nicht, dass wir arm sind. Sondern dass wir unsere Möglichkeiten ausschöpfen. Allen einen guten Start in die Woche!

À propos Natur

Den gab es auch umsonst und draußen: in Nizza lustigerweise, an diesem großen Kieselstrand. Und da sind wir auch gleich noch bei Geschenken: denn als Ferienmitbringsel toppt der für mich alles, was man sonst so kaufen kann. Ich lache mich jedesmal wieder schlapp, wenn ich den Stein auf meiner Fensterbank sehe. Allerdings denke ich immer eher (und zuerst) an den Rhein, als an Nizza…

Natur aufräumen

Bringt nix, sieht aber manchmal einfach schön aus. Und sonst? Ich gewöhne mich langsam an niedrigere Temperaturen in der Wohnung. Ich freue mich, wieder aufrecht stehen zu können, wenn auch noch nicht so lange. Und: Die Sonne scheint!

Gestern habe ich tatsächlich schon die ersten Weihnachtsgeschenke gekauft. Und noch eine Kuchenform. Morgen gibt es Orangenkuchen und Weck-Gänse mit Hagelzucker statt Federn. Und was nachwirkt: Wie die nette Frisörin, die mir neulich die Haare gewaschen hat, von meiner Haarfarbe geschwärmt hat. Ich meine, ich habe dieses rheinländische Straßenköterblond in der Frisur. Weiß Gott nix besonderes. Aber mit dem Altwerden färben sich einzelne Haarsträhnen anders. Ich habe also jetzt viele verschiedene Blond- und (ja wirklich) Moostöne auf dem Kopf, was unglaublich teuer aussieht, aber Natur (!) ist. Aufgeräumt wird da nur im Schnitt. Und der sieht dieses Mal auch richtig schön aus…

Bahn fahren

Wer diesen Blog kennt, mag fürchten, dass jetzt nix Gutes kommt. Denn wenn ich Bahn fahre, türmen sich Widrigkeiten. Verspätungen, kurzfristige Änderungen bei der Einfahrt, der Wagenfolge, Züge ohne Bistro, Toiletten, Klimaanlage oder Reservierungsanzeige, laute Mitreisende oder solche, die sich im Waggon so richtig wie zu Hause fühlen.

Wahrscheinlich ziehe ich schon den Kopf ein, wenn ich einsteige.

Schön, wenn ich dann einen freien Platz finde, obwohl ich nicht reserviert habe. Noch schöner, wenn sich jemand neben mich setzt, der die Bahn als Ort gewisser Öffentlichkeit versteht, und sich nicht gnadenlos gehen lässt. Ein Musiker offensichtlich, er hat einen Gitarrenkoffer dabei. Er kann sich trotz Gepäck zügig und ohne anzuecken hinsetzen, er trägt eine Maske und grüßt freundlich. Glück gehabt, denke ich. Hoffentlich ist er nicht an der nächsten Milchkanne wieder weg.

Wie wir ins Gespräch gekommen sind, weiß ich gar nicht mehr. Die Reise zu meinem Vater liegt mir auf dem Magen, draußen scheint die Sonne und der Schreibtisch zu Hause liegt unter einer Papierverwüstung, so dass ich jetzt schon die Rückkehr fürchte. Ich werde zwei neue Backenzahnkronen bekommen (Angst vor dem Zahnarzt sitzt mir von klein an in den Knochen) – eigentlich würde ich viel lieber ein paar Tage Urlaub machen. Also genieße ich es, mich zu unterhalten und den Alltag etwas auf Abstand zu bringen.

Es ist ja auch gut, hin und wieder mal einiges gefragt zu werden. Wie das bei mir eigentlich ist oder was ich über dies oder jenes denke. Und zwar von jemanden, den ich nicht kenne. Natürlich stelle auch ich Fragen. Wir reden über unsere Generation, die „jungen Leute“ (seine Kinder, meine Nachbarskinder), über Wohnen und Reisen, ich frage ihn nach seiner Musik, er hat am Vorabend im Berliner A-Trane gespielt, eine gute Adresse für Jazz, der mir als Musikrichtung jedoch eher fremd ist. Zwischendurch machen wir Pausen. Aber bis Köln bleiben wir eigentlich im Gespräch. Ich erzähle, dass ich mich noch immer nicht entscheiden konnte, etwas zu veröffentlichen, was mir wichtig ist. Er sagt, dass solche Sachen eben manchmal Zeit brauchen, und dass er selbst gerade erst seine erste CD unter eigenem Namen herausgegeben hat. Kurz bevor wir aussteigen, frage ich ihn noch danach. Nach seinem Namen. Damit ich mir die CD mal anhören kann. Gefunden habe ich sie schon. Gehört noch nicht. Aber sie wird mir sicher etwas sagen. Und mich an eine überraschend schöne Bahnfahrt erinnern.

Hoppla – !?

Ich hab sein Neuestem ein merkwürdiges Problem: Ich komme bei vielen von Euch nicht mehr auf die Blog-Seiten. Hm. Ich habe natürlich meine eigene Seite lange nicht mehr benutzt. Vielleicht löst sich die Schwierigkeit auch nach ein paar Tagen, Wochen von selbst. Ich schreib’s nur mal, ich versuche tatsächlich so langsam wieder zurück zu kommen. Aber, schreiben geht für’s Erste, und deshalb schreibe ich schnell noch, bevor ich müde ins Bett falle, dass es im Berliner Kupferstichkabinett eine kleine feine Ausstellung über Ruth Wolf-Rehfeldt gibt, eine Geburtstagsausstellung zum 90sten und zur Verleihung des Hannah-Höch-Preises (der Berlinischen Galerie) in diesem Jahr.

Gedichte sind das und Schreibmaschinenkunst, was bedeutet, Reiseschreibmaschinenkunst zum Beispiel, wo die Farbbänder sich verheddern, oder die Typen so scharfkantig sind, dass sie feine Muster ins Papier stanzen. Tolle Bilder, Ideen, Gedankenlandschaften. Und das Beste: Draußen vor der Ausstellungen stehen gleich mehrere von diesen alten Schreibmaschinen, an denen man sich dann selbst versuchen kann. Wie lustig. Ich meine, ich habe auf so einem Ding noch tippen gelernt. Und neben mir saßen nur junge Leute, die gar nicht wussten, wie man ein Blatt einzieht. Kam ich mir alt vor!

„verquwör“ habe ich vergeigt, denn eigentlich wollte ich verquer schreiben. Ja, Tippfehler gab es früher auch. Aber mein Text heißt „Ode an das öh“ und insofern ist ein „verquör“ gar nicht mal schlecht, zumal nur o’s und ö’s so schöne ausgestanzte Löcher im Papier hinterließen. Ein schöner Sonntagnachmittag also, zumal das Wetter schön war und der Spaziergang nachher durch den Tiergarten eine Freude. Für die, die zur Ausstellung wollen: sie läuft noch bis zum 5. Februar 2023.

Wie wollen wir leben?

Das Leben als eigenen Entwurf zu verstehen, ist eine moderne Vorstellung. Und wie uns heute schmerzhaft bewusst ist, nicht nur eine, die durch Geld eingeschränkt sein kann. Wo es wieder kälter wird, und ich mich mehr und mehr in meine eigenen Vier Wände zurückziehe, wird mir dieses Konzept wieder bewusst. Vielleicht auch, weil ich immer noch krank bin, und sehr auf meine Wohninsel angewiesen bin. Oder weil ich neulich noch bei meinem Vater war. Dessen Wohninsel eine Art Ruine unserer Familienwohnung ist. Und wo die Zuhause (gibt es diesen Plural?) von Freund*innen ganz andere Lebensstile vorschlagen.

Eine lustige Möglichkeit, gleich ganz viele Lebensstile zu probieren, zeigt übrigens das Puppenhaus, aus dem ich hier ein Dachzimmer zeige. Eigentlich ist es eine Puppenvilla. Und sie gehörte der Mutter eines Nachbarn, die im Frühsommer gestorben ist. Die gesamte Villa ist selbstgemacht und minutiös eingerichtet. An diesem Zimmer mag ich vor allem die Landkarten an den Wänden. Dieser Traum von Weite im kleinen Zuhause! Was mich daran erinnert, dass ich zu gerne einen leuchtenden Globus hätte. Als ich bei meinem Vater war, hat mich plötzlich dieser Wunsch fast verschlungen.

Und ich lege gleich noch eins drauf: Weil ich neulich dachte, dass ich noch nie (NOCH NIE) ein Knusperhäuschen gemacht habe. So aus Lebkuchen und anderen Süßigkeiten. Vielleicht mit Flachdach und Flugzeughangar (moderne Hexen…) Eine Knusperhäuschen-Competition wäre was im Büro, wo immerhin zwei Architekturbüros tolle Entwürfe liefern könnten (und ich sitze am neuen Konferenztisch und esse die dann auf…)

Wie will ich leben? Es wird Winter. Und ich stelle mir diese Frage einmal mehr. Ein Dachzimmer mit Landkarten ist dabei nicht einmal die schlechteste Wahl, wie mir scheint.

Das Schicksal herausfordern

Grundsätzlich halte ich nicht viel davon. Man kann viel wollen. Ebensoviel probieren. Aber bloß nicht den Übermut raushängen lassen. Mache ich so, dachte ich zumindest. Bis ich Corona bekam und mich wie Brot langweilte. Das heißt, ich habe mich weniger gelangweilt, als dass es mir tatsächlich nicht besonders gut ging. Schlapp und unmotiviert war ich, eine Kombination, die mir so gar nicht schmeckt. Also dachte ich, könnte ja ein bisschen Gymnastik nicht schaden, zumal mir vom Liegen schon der Rücken weh tat. Dehnen, ein bisschen Kerze hier, ein bisschen Hund da, warum nicht? Ja, warum nicht, wenn ich es denn dabei belassen hätte. Aber dann hatte ich die Idee, einen Purzelbaum zu machen, ohne mich die Bohne daran zu erinnern, wie das eigentlich geht. Die Kurzfassung: Das ist gehörig schief gegangen. Also, gepurzelt bin ich schon, aber mit solchem Schmerz aufgeschlagen, dass ich kurz dachte, ich – keine Ahnung, aber das tat so weh, wie ich es noch nie erlebt habe.

Ich hatte Glück. Mir ist soweit nichts passiert, außer dass ich bis heute Rückenschmerzen habe. Scheint aber alles noch ganz, letzte Nacht konnte ich sogar wieder durchschlafen. Was mich an der Sache wirklich entsetzt ist, wie wenig ich abschätzen konnte, was ich da vorhatte. Ein Purzelbaum schien mir harmlos. Bis ich mich – natürlich erst später – darüber schlau gemacht habe, was passieren kann, wenn man sein gesamtes Körpergewicht über den Kopf rollt. Auweia! Fazit? Ich bin verunsichert. Weil ich erlebt habe, wie arglos ich mich in eine gefährliche Situation gebracht habe. Zu Hause! Und ohne Not. Werde ich das nächste Mal schlauer sein? Ich hoffe. Und lege noch eins drauf, in dem ich hier noch einmal laut und deutlich schreibe: Niemand muss Dinge aus Langeweile tun. Und vor allem nicht, ohne vorher sehr scharf nachzudenken. Aloa!