Wer diesen Blog kennt, mag fürchten, dass jetzt nix Gutes kommt. Denn wenn ich Bahn fahre, türmen sich Widrigkeiten. Verspätungen, kurzfristige Änderungen bei der Einfahrt, der Wagenfolge, Züge ohne Bistro, Toiletten, Klimaanlage oder Reservierungsanzeige, laute Mitreisende oder solche, die sich im Waggon so richtig wie zu Hause fühlen.
Wahrscheinlich ziehe ich schon den Kopf ein, wenn ich einsteige.
Schön, wenn ich dann einen freien Platz finde, obwohl ich nicht reserviert habe. Noch schöner, wenn sich jemand neben mich setzt, der die Bahn als Ort gewisser Öffentlichkeit versteht, und sich nicht gnadenlos gehen lässt. Ein Musiker offensichtlich, er hat einen Gitarrenkoffer dabei. Er kann sich trotz Gepäck zügig und ohne anzuecken hinsetzen, er trägt eine Maske und grüßt freundlich. Glück gehabt, denke ich. Hoffentlich ist er nicht an der nächsten Milchkanne wieder weg.
Wie wir ins Gespräch gekommen sind, weiß ich gar nicht mehr. Die Reise zu meinem Vater liegt mir auf dem Magen, draußen scheint die Sonne und der Schreibtisch zu Hause liegt unter einer Papierverwüstung, so dass ich jetzt schon die Rückkehr fürchte. Ich werde zwei neue Backenzahnkronen bekommen (Angst vor dem Zahnarzt sitzt mir von klein an in den Knochen) – eigentlich würde ich viel lieber ein paar Tage Urlaub machen. Also genieße ich es, mich zu unterhalten und den Alltag etwas auf Abstand zu bringen.
Es ist ja auch gut, hin und wieder mal einiges gefragt zu werden. Wie das bei mir eigentlich ist oder was ich über dies oder jenes denke. Und zwar von jemanden, den ich nicht kenne. Natürlich stelle auch ich Fragen. Wir reden über unsere Generation, die „jungen Leute“ (seine Kinder, meine Nachbarskinder), über Wohnen und Reisen, ich frage ihn nach seiner Musik, er hat am Vorabend im Berliner A-Trane gespielt, eine gute Adresse für Jazz, der mir als Musikrichtung jedoch eher fremd ist. Zwischendurch machen wir Pausen. Aber bis Köln bleiben wir eigentlich im Gespräch. Ich erzähle, dass ich mich noch immer nicht entscheiden konnte, etwas zu veröffentlichen, was mir wichtig ist. Er sagt, dass solche Sachen eben manchmal Zeit brauchen, und dass er selbst gerade erst seine erste CD unter eigenem Namen herausgegeben hat. Kurz bevor wir aussteigen, frage ich ihn noch danach. Nach seinem Namen. Damit ich mir die CD mal anhören kann. Gefunden habe ich sie schon. Gehört noch nicht. Aber sie wird mir sicher etwas sagen. Und mich an eine überraschend schöne Bahnfahrt erinnern.