Den Löffel abgeben

ist für mich noch eine Vorstufe zu dem, was als „ins Gras beißen“ dann wirklich die letzte Station ist. Weil, wer den Löffel abgibt, meist ja noch gefüttert werden will. Insofern scheint mir der Löffel-Verzicht ein stimmiges Bild für die Euphorie einiger, die in KI-Texten die Zukunft heraufbeschwören. Keine Frage, ich werde KI demnächst auch nutzen. Ich sehe in künstlich generierten Texten eine Möglichkeit, schneller zu schreiben. Da ich als Texterin schlecht bezahlt werde, ist mir das eine willkommene und legitime Art, zu einem besseren Stundensatz zu kommen. Wobei meine Kund*innen wahrscheinlich noch schneller sein werden, und mich gleich durch eine KI ersetzen.

Bleibt die Frage, wie ich es mit eigenen Texten halten werde. Natürlich sind die aktuell künstlich generierten Sätze oft noch als solche zu erkennen. Sie bleiben flach und, sobald ein Absatz länger wird, wiederholt sich so einiges. Von Fehlern mal ganz abgesehen. Aber Dinge ändern sich. In wenigen Jahren werden wir den Unterschied zwischen einem menschlich oder künstlich verfassten Text nicht mehr erkennen können. Oder vielleicht auch gar nicht mehr wollen.

Was aber passiert, wenn wir uns auf Maschinenfähigkeiten verlassen, wissen wir im Grunde: wir verlieren unsere eigenen Fertigkeiten. Wer kann denn heute noch – und hier folgt eine meterlange Liste von Hand- oder Kopfarbeiten, die wir verlernt haben, weil Maschinen schneller sind. Und wir – ich denke tatsächlich fälschlicherweise – diese Arbeiten als langweilig, stupide und überflüssig eingeschätzt haben. Und wer hat nicht gelegentlich schmerzlich diese Fähigkeiten vermisst. Youtube sei Dank, kann man vieles zumindest wieder lernen. Aber was, wenn kein Strom oder kein WLAN zur Verfügung steht?

Genau das ist mein Gefühl. Wenn ich mich auf die KI verlasse, habe ich es leichter: gefüttert zu werden verlangt nur noch den Mund zu öffnen und zu schlucken. Doch was passiert, wenn der Löffel plötzlich nicht mehr will. Oder ich eben keinen Spinat mehr mag, dafür aber Pfirsiche. Ein Verlust von Fähigkeiten macht mich abhängig. Abhängig von etwas, das ich nicht überblicken kann. Ob mir ein kluger Umgang mit diesem neuen Tool gelingen wird, weiß ich nicht. Möglicherweise übersteigen solche Neuerungen ein verantwortungsbewussten Umgang Einzelner. Ich werde mich zumindest darum bemühen.

Filed under: Allgemein

von

Wer die Welt erkennen will, sollte genau hinsehen. Schon als Kind habe ich mir häufig die Augen gerieben und - wenn es sein musste - noch einmal hingeschaut. Mittlerweile arbeite ich als Journalistin und als Autorin. Auch hier ist das genaue Hinsehen, keineswegs das Schreiben, die, wenn man so will, Kerntätigkeit. Doch während ich meinen Blick bei der Arbeit fokussiere und das Gesehene zu allen möglichen Richtungen hin ausleuchte, möchte ich in meinem Blog kurze Blicke wagen. Wer zurückschaut, ist herzlich willkommen.

Comments 7

  1. derdilettant 16. April 2023

    Je mehr die KI zu leisten imstande sein wird, desto mehr wird sich der Mensch fragen, wass denn eigentlich noch sein Alleinstellungsmerkmals ist. Was bleibt am Ende, wenn die Maschine mehr Wissen angesammelt hat, sowieso schneller kombinieren kann, jegliche erdenkliche menschliche Fähigkeit zu übernehmen, gar zu übertreffen in der Lage ist, und wahrscheinlich auch eine Art Bewußtsein entwickelt haben wird – was bleibt von uns außer einer kosmischen Kränkung?

    Gefällt 3 Personen

  2. rolfnoe 16. April 2023

    Zu einem ähnlichen Schluss bin ich auch gekommen, als ich versucht habe über die KI zusätzliche Infos zum Thema zu bekommen (https://photo-philosophy.net/architektur-auf-instagram-architecture-on-instagram/). Als Recherchehilfe sicher auch zeitsparend, aber meine Texte möchte ich doch lieber selbst schreiben. Vielleicht kann man ja eines Tages die KI folgendes fragen: Schreib mir bitte einen Text über meine Empfindungen bei der Betrachtung dieses Kunstwerkes. Dann hör ich auf zu bloggen.

    Gefällt 2 Personen

    • derdilettant 16. April 2023

      Am Bewußtsein sind die Forscher schon dran. Soweit ich sehe, weiß man anber noch nichts genaues. Noch nicht einmal, wie es da bei Tieren ausschaut, oder wann und wie das Bewußtsein im Laufe der Evolution vom Einzeller zum Menschen entstand. Ein Forscher vertrat immerhin neulich die Ansicht, dass es nicht zwangsläufig an der Biologie hängt. Ich stelle mir vor, es entsteht in einer Art Umschlagen von Quantität in Qualität. Wenn die Dichte an verarbeiteten Vorgängen ein gewisses Maß überschreitet, entsteht eine neue Qualität. So ähnlich wie beim Übergang von der Fotografie zum Film. Letzterer ist nichts anderes als die Abfolge von Fotos, jedoch so schnell aufeinanderfolgend, dass in der Sinneswahrnehmung etwas völlig neues entsteht. Arbeitet die KI der Zukunft ähnlich komplex und rasch wie das menschliche Gehirn, wird wahrscheinlich soetwas wie Bewußtsein entstehen. Die Folgen wären unabsehbar. So viel steht fest.

      Gefällt 2 Personen

      • Myriade 17. April 2023

        Ich habe kürzlich gelesen, dass die Forschung das Bewußtsein nach wie vor nicht wirklich definieren kann. Das Umschlagen von Quantität in Qualität ist aber ein sehr interessanter Ansatz. Wenn eine KI dort hinkäme, was ja momentan noch nicht der Fall ist, sehe ich das auch eher beunruhigend, die Erschaffung eines Golems …

        Gefällt 1 Person

Kommentar verfassen

Trage deine Daten unten ein oder klicke ein Icon um dich einzuloggen:

WordPress.com-Logo

Du kommentierst mit deinem WordPress.com-Konto. Abmelden /  Ändern )

Facebook-Foto

Du kommentierst mit deinem Facebook-Konto. Abmelden /  Ändern )

Verbinde mit %s