Was vom Fest übrig bleibt

Zu Hause gab es keine Feste. Und wenn, dann wurden daraus Katastrophen. Grund war vermutlich die große Angst meiner Mutter vor Pannen. Sie fing meist zu früh an mit den Vorbereitungen, machte sich dann die wenigste Mühe mit Deko und Essen (vermutlich, um auch da keine Fehler zu machen) und manövrierte alle in einen Zustand hektischer Aktivität bei gleichzeitig dröhnendem Stillstand. Heiterkeit: Fehlanzeige.

Mir selbst geht es ähnlich. (Eigene) Feiern sind für mich große Gespenster. Muss ja nicht. Ich meine, kein Mensch muss feiern, und so habe ich es auch gehalten. Ich mag kleine Runden und Essen mit Freund*innen. Ins Kino gehen oder mal ins Konzert. So kann ein Geburtstag sehr schön werden. Aber dann gibt es Momente, wo ich gerne alle zusammen sehen will. Die Kolleg*innen, die Freund*innen aus allen Himmelsrichtungen, die Nachbar*innen, Freund*innen von Freund*innen. Wer halt Zeit hat und kommen mag.

Kurz, dieses Jahr war ein Feier-Jahr. Ich habe gelernt, und mir Hilfe geholt, um nicht alles alleine stemmen zu müssen. Gemeinsame Vorbereitungen können ja auch ein Spass für sich sein. Und ich hatte zudem Glück: bevor die Heizung in meiner Wohnung ausfiel und das warme Wasser, konnte ich noch duschen. Die Entscheidung fürs Outfit war schwierig, erwies sich dann aber als goldrichtig: ich habe mich wohlgefühlt (was im Januar auch heißt: mir war warm genug), und es kamen Komplimente.

Alles gut. Aber dann war es doch ein bisschen so wie immer: Die Gäste kommen. Es stürzt alles mögliche auf mich ein, ich werde nervös, weil hinter den Kulissen eine Uhr läuft: Ein kleines Konzert ist geplant und muss dann und dann stattfinden, damit die Tanzvorführung danach pünktlich beginnt, weil dort eine Teilnehmerin so schnell wie möglich zu ihrem kranken Mann zurück möchte. Die letzte Probe für den Tanz verläuft chaotisch, weil ich blöderweise mit den ersten Gästen angestoßen habe. Dann ist auch schon das Konzert, ich vertanze mich mehr als einmal und rette das durch Klamauk. Zwischendurch schaue ich nach Gästen, die verloren wirken, ich begrüße alle, versuche, was zu essen und stoße immer weiter an. Dann gehen auch schon die ersten wieder. Irgendwann schaffe ich es, die Geschenke auszupacken. Als fast alle weg sind, kommen noch welche. Wir sitzen in kleiner Runde. Und dann ist es vorbei.

Das Gespenst, so fühlt es sich rückwirkend an, war nicht das Fest, sondern ich. Aus den Rückmeldungen habe ich herausgehört, dass die Gäste mich nicht so verhuscht erinnern. Aber ich war ganz das Kind meiner Mutter und bin eigentlich nur durch die Party gehechelt. Doch und ja: es hat sich gelohnt. Weil ich gesehen habe, dass alle sich kreuz und quer miteinander unterhielten, also wirklich ins Gespräch gekommen sind. Und weil die Musik wirklich toll war. Und weil trotz schlechtestem Wetter so viele gekommen sind. Nächstes Jahr feiere ich nicht. Ich will weit weg fahren, auch weil ein runder Geburtstag ansteht. Was in Erinnerung bleiben wird. Ganz bestimmt dieser hinreißende Fuxi. Der Rest muss sich noch heraus kristallisieren.

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Wer die Welt erkennen will, sollte genau hinsehen. Schon als Kind habe ich mir häufig die Augen gerieben und - wenn es sein musste - noch einmal hingeschaut. Mittlerweile arbeite ich als Journalistin und als Autorin. Auch hier ist das genaue Hinsehen, keineswegs das Schreiben, die, wenn man so will, Kerntätigkeit. Doch während ich meinen Blick bei der Arbeit fokussiere und das Gesehene zu allen möglichen Richtungen hin ausleuchte, möchte ich in meinem Blog kurze Blicke wagen. Wer zurückschaut, ist herzlich willkommen.

Comments 9

  1. Michael H. Gerloff 26. Januar 2023

    Ohne es 1:1 zu lesen, habe ich mich in einigem erkannt; und es freut mich, mich nicht so schrullig zu fühlen in der eigenen Feier-Abneigung. Über die elterliche Prägung muß ich noch mal nachdenken, da könnte noch mehr dran sein, als ich bisher gedacht habe. Zwischendurch versuche ich auch mal, das elterliche (Nicht-)Handeln zu verstehen. Insgesamt bin ich da aber mit mir auch im Reinen.
    Und ja: Der Fuxi ist wunderbar.

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    • Stephanie Jaeckel 26. Januar 2023

      Ja, es ist ja immer ein Balance-Akt. Meinen Eltern möchte ich keine Schuld geben. Aber für mich war es eine extreme Lähmung, die bis heute anhält. Insofern ist es ein Erbe, das es zu verwalten gilt. Der Fuxi ist auf jeden Fall auch ein Grund, es wieder zu versuchen!

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  2. Edith 27. Januar 2023

    Ich bin ja in der DDR aufgewachsen, lebe noch immer hier. Da war Zusammenhalt wichtig. Wir haben gern gefeiert. Wenn ich mich auch oft schon 6 Uhr beim Fleischer anstellen musste, um mein Wunschfleisch zu bekommen – der Gedanke, dass alle zusammenkommen, machte alles wett. Und – der Zusammenhalt ist geblieben, mit Familie, mit Freunden, mit Nachbarn über den Gartenzaun… Keiner war allein, alle halfen, so war es keine Anstrengung für die Einzelnen….
    Danke fürs Erinnern…..
    Herzlichst, Edith

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  3. muetzenfalterin 27. Januar 2023

    Dass ist eine schöne Erfahrung, dass du über deine Grenzen gegangen bist, und etwas ausprobiert hast, was du nachher als nicht einfach, aber dennoch als wertvoll erlebt hast. Schön, wenn der eigene Mut auf diese Weise belohnt wird.
    Um an den Titel anzuknüpfen könnte man nach dem Lesen vielleicht sagen: was dem Feste übrigblieb. Es musste sich deinem Wagemut beugen und vor den mütterlichen Prägungen wenigstens teilweise kapitulieren.

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    • Stephanie Jaeckel 27. Januar 2023

      Ja, es ist richtig gut rausgekommen. Wie Du schreibst: Ich wurde belohnt. Das freut mich, weil es oft genug schon anders herausgekommen ist. Und auch, wenn ich ahne, dass vor allem meine Mutter nicht nur aus Bequemlichkeit nicht feierte, ist es schwierig, diese Lethargie abzuschütteln. Den Rest des Jahres kann ich jetzt wieder Gast sein, denn die meisten Geburtstagsfeiern stehen ja noch an…

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