Bei uns zu Hause (ich spreche von meiner Kindheit und Jugend) galt eine strenge Kleiderregel: Kein Firlefanz! Alles hatte gediegen zu sein, d.h. sollte so lange wie möglich halten und bequem und gleichzeitig zurückhaltend chic sein (wurde wahrscheinlich in den Köpfen meiner Eltern schick geschrieben).
Natürlich fand ich das erst normal und später kreischend spießig. Interessanterweise habe ich aber genau diese Sicht auf Klamotten übernommen. Ich galt dennoch als gut angezogen. Keine Ahnung. Ich kann mich nur an brav und langweilig erinnern. Natürlich hatte das auch was mit meinem Selbstverständnis zu tun. Ich fand mich nicht besonders attraktiv. Ich wollte vor allem mal nicht auffallen.
Bewundert habe ich aber immer Menschen, die sich um nichts scherten. Und tolle Klamotten trugen. Egal, ob sie Gesicht und Figur dazu hatten oder – soll vor allem mal jemand sagen, was oder wie denn bitte wirklich.
Fähnchen waren das Schlimmste in den Augen meiner Mutter. Zu dünne, oft schlecht genähte Kleidchen. Just for fun entworfen, ganz offensichtlich. Und um welchen fun es da ging, ebenfalls schnell zu erraten.
Wie lange ich mich nicht getraut habe, wenigstens mal eins zu probieren. Nur so für mich. In der Umkleidekabine.
Was ich da letzte Woche gefunden habe (lag auf einer Fensterbank zum mitnehmen!!!) ist zwar. kein Fähnchen im Sinn meiner Mutter (dazu ist es zu komplex genäht), aber liefe natürlich ebenfalls unter ihrem strengen no go!
Wie hinreißend ich es finde.
(Sorry, nein, es geht nicht darum, meine Mutter anzuschwärzen. Eher darum, wie lange in mir Werte kleben, die gar nicht meine sind).
Verwandlerin 12. Oktober 2022
Vielen Dank für diesen Einblick! Ich beobachte ja auch etliche Prägungen von dem Elternhaus bei mir in den verschiedensten Bereichen…
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Stephanie Jaeckel 15. Oktober 2022
Ja, das wirkt oft so lange nach und sitzt so tief, dass ich es zum Beispiel als „normal“ empfinde, statt die Norm und damit auch die Möglichkeit einer ganz anderen Perspektive zu erkennen…
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kormoranflug 12. Oktober 2022
Mit Grausen kann ich mich an die in der Kindheit getragenen kurzen Lederhosen mit im Winter dazu getragenen langen Wollstrümpfen und Mieder erinnern. Deshalb sind mir wahrscheinlich Lederhosen auch auf der Wiesen untragbar.
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Stephanie Jaeckel 15. Oktober 2022
Auweia! Ja. Das ist prägend. Und sonst? Hast Du manchmal Lust auf was Beklopptes? Oder ziehst Du Dich weitgehend an, um nicht zu frieren, oder komisch rumzukommen?
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kormoranflug 15. Oktober 2022
Als schwarzer Vogel ist das ganz einfach, schwarzes T-Shirt, schwarze Jeans, schwarzes Sakko – immer gut angezogen und beim Waschen ist es auch einfach – alles schwarz (lach). Manche finden das schon bekloppt. Grüsse tom
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Stephanie Jaeckel 20. November 2022
Ich hab als junge Frau auch nur schwarz getragen. Das war eben der Trick: Es fiel gar nicht so auf, dass ich meist dasselbe anhatte. Eine Brosche hier, ein Schal da, und das Outfit wirkte gleich ganz anders. Heute trage ich Farben. Alleine schon, weil meine Haut nicht mehr so glatt ist, und mit Schwarz einfach nur grau wirkt. Außerdem habe ich graublaue Augen, die bei bestimmten Farben so richtig zu leuchten anfangen. Bei Schwarz sind sie einfach nur irgendwie.
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Edith 12. Oktober 2022
Sicher brauchten wir als Kinder eine Orientierung, das war gar nicht so verkehrt. Eltern wollten uns vielleicht auch damit schützen, die lüsternen Blicke nicht auf uns fallen lassen…. Nun zeigt uns der eigene Verstand , dass wir in Fähnchen selbst auf uns aufpassen können..
Liebe Grüße, Edith
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Stephanie Jaeckel 15. Oktober 2022
Ja, klar, das hatte was mit festen Vorstellungen und natürlich auch mit einer Art von Verantwortung zu tun. Billig auszusehen konnte eben auch nicht „camp“ sein, sondern war einfach schlechter Geschmack. Und moralisch zweifelhaft. Aber diese Selbstermächtigung von Mode, eben auch schräg auszusehen, und sich selbst nicht ganz so ernst zu nehmen, die ist mir heute wichtiger. Es geht eben nicht um lüsterne Blicke, sondern um Freiheit.
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Edith 15. Oktober 2022
Genau das macht das Jetzt mit uns. Unser Denken hat sich geändert, wäre ja auch blöd, wäre es in allen möglichen Zeiten stecken geblieben.
Dir gute Stunden in dein WE ❤
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