Lesen

Wenn ich ehrlich bin – seit zwei Jahren lese ich nicht mehr. Zumindest nicht mehr regelmäßig. Oder eher: nicht mehr regelmäßig in meiner Freizeit. Nach wie vor interessiere ich mich für Bücher. Ich kaufe sie sogar. Aber dann bleiben sie liegen. Ungelesen. Was ist passiert?

Zum einen werden meine Augen rasant schlechter. Ein bedrohlicher (und leider umumkehrbarer) Prozess. Ich bin Kunsthistorikerin und gerate regelmäßig in Panik. Kunst kann man selten hören… Verständlich, dass ich abends, nach dem Ende der Schreibtischarbeit selten zum Buch greife. Es ist schlicht zu anstrengend.

Aber es interessiert mich auch nicht mehr so viel. Eindeutig mehr Sachbücher liegen neben meinem Bett, ich kaufe kaum noch Romane. Manchmal denke ich, je älter ich werde, desto mehr fasziniert mich mein eigenes Leben. Die Tage und Nächte werden beim Älterwerden kurz und kürzer, und ich habe Mühe, alles reinzupacken, was ich mir vorgenommen habe. Außerdem schaue ich eindeutig lieber Filme als früher. Und mehr Zeit gibt es leider nirgendwo.

Lasse ich mich nicht mehr genug auf andere Weltsichten ein? Werde ich bequem? Faul sogar? Ist es einfach eine Phase? Sollte ich auf Hörbücher umsteigen? Immerhin habe ich auf der Rückfahrt aus Köln ein Buch in einem Rutsch in der Bahn gelesen. Geht also noch. War aber nicht so toll. Ich gucke meist lieber aus dem Fenster, mache Fotos oder höre, wie sich in meinem Kopf Stille ausbreitet. Wie geht es Euch?

Filed under: Allgemein

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Wer die Welt erkennen will, sollte genau hinsehen. Schon als Kind habe ich mir häufig die Augen gerieben und - wenn es sein musste - noch einmal hingeschaut. Mittlerweile arbeite ich als Journalistin und als Autorin. Auch hier ist das genaue Hinsehen, keineswegs das Schreiben, die, wenn man so will, Kerntätigkeit. Doch während ich meinen Blick bei der Arbeit fokussiere und das Gesehene zu allen möglichen Richtungen hin ausleuchte, möchte ich in meinem Blog kurze Blicke wagen. Wer zurückschaut, ist herzlich willkommen.

Comments 25

  1. mannigfaltiges 30. Juni 2020

    Die letzten Jahre las ich verhältnismäßig wenig. Seit Corona (obwohl mein Alltag davon kaum beeinflusst war und ist) „fresse“ ich die Bücher wieder.
    Aber so Intervalle gab es früher auch schon. Ich kann mich an 1-2 Jahre erinnern, da gingen wir jede Woche 2 mal ins Kino, gelesen hab ich nix. Jetzt kann ich keine Filme mehr sehen. Lese wieder lieber oder sehe mir Bilder an.
    Das bahnfahrtlesen mag ich nicht, guck auch lieber aus dem Fenster und mach mir über die Leuten im Zug so meine Gedanken. Hörbücher gehen gar nicht. Nach spätestens 5 Minuten schweift das Auge ab, sieht etwas und das Hirn folgt bereitwillig. Müsste also mit dem Hörbuch wieder von vorn anfangen.

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      • mannigfaltiges 1. Juli 2020

        Angefangen:
        Julia Voss: Hilma Af Klint;
        Thomas Sparr: Todesfuge – Biographie eines Gedichts;
        Die letzten beendeten:
        Ruge, Metropol, einige Murakamis; Ortheil, Mittelmeerreise.
        Als nächstes werde ich mich durch den Ausstellungskatalog vom MK&G über Plakate durcharbeiten, dann Erika und Klaus Mann, Das Buch von der Riviera; Arto Paasilinna, Für eine schlechte Überraschung gut (mit Illus von Yannick Held) Die letzten beiden gibts bei der Büchergilde.
        Meistens lese ich 2-3 Bücher, mit verschiedener Thematik parallel, aber immer nur einen Romans oder Erzählung. Gedichte immer nur eines am Stück.

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  2. muetzenfalterin 30. Juni 2020

    Das mit den Augen tut mir leid. Sehr sogar.
    Was ich hingegen faszinierend finde, ist das Bekenntnis dazu, dass dein eigenes Leben dich von Jahr zu Jahr mehr interessiert. Vielleicht ist das sogar bei uns allen so, aber ich kann mich nicht erinnern, dass das jemals zuvor jemand so benannt. hätte.
    Und was das eigene Lesen angeht, ich bin von früh auf abhängig, und das wird sich wohl auch nicht mehr ändern.

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    • Stephanie Jaeckel 30. Juni 2020

      Lesesüchtig – Warum nicht? Ich hätte es tatsächlich auch lieber, wieder mehr Gefallen an Büchern zu finden. Aber wer weiß, vielleicht kommt’s ja wieder. Und natürlich werde ich weiter schreiben, d.h. von der anderen Seite her bleibe ich mit Büchern oder sonstigen Druckerzeugnissen eng verbunden.

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  3. sheshebens 30. Juni 2020

    Lesen sollte kein Zwang sein, ebenso wenig wie „Wissen aneignen“. Das eine Leben ist für unsere Erfahrungen und der eigene Blick in die Landschaft, die am Zugfenster vorbeizieht, so viel wichtiger als davon zu lesen, dass es Jemanden so erging. Wir schreiben unsere eigenen Geschichten.

    Auch ich lese nicht mehr so viel wie früher selbst wenn mich ein Buch fängt. Aber ich etzwibge es auch dann nicht und finde es so richtig wie es sich eben anfühlt:)

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    • Stephanie Jaeckel 30. Juni 2020

      Ich verstehe sehr gut, was Du meinst, bin aber mit mir und bei mir in der Hinsicht etwas zögerlich. Ich kenne mich einfach zu gut, und weiß, dass ich gelegentlich einen Schubs brauche. Deshalb frage ich immer noch mal nach: „na, willst Du wirklich nicht lesen? – …. – Echt wirklich gar nicht? – …. – Immer noch nicht?“ usf. (pffff….) Aber klar, zwingen ist nix. Weder beim Lesen, noch bei sonst was.

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  4. Christian W. 30. Juni 2020

    Gut die Hälfte des Textes könnte genauso von mir sein. Früher hatten Bücher einen mindestens monatlichen Sammeleintrag in meinem Blog, heute bin ich froh, wenn ich übers Jahr überhaupt mehr als ein privates Buch hinbekomme.

    Sehstärke bzw. das rapide Abnehmen derselben ist hier definitiv auch ein wichtiger Grund; als halb Grafiker, halb Lektor kann man die Augen auch nicht mal eben durch einen anderen Sinn ersetzen und ermüdet sie übern Tag bei der Arbeit (tja, Lesen als Arbeit, und durchaus anstrengende …) so, dass man sie nachts nicht auch noch beanspruchen möchte.

    Und die Präferenzen werden auch bei mir andere. Romane eigentlich nur noch, wenn sie von befreundeten Autoren geschrieben werden. Denn 1. ist inzwischen das Gefühl übermächtig, alle Geschichten schon zu kennen (böse gesprochen: Kennste Shakespeare, kennste alle.); 2. gibt es so wahnsinnig viele Sachbücher, allein schon im hohen&breiten Stapel neben dem Bett, die mich interessieren; und 3. entwickle ich mich geschmacklich gegenläufig zum Zeitgeist und kann die Drastik und immer ausuferndere Tabulosigkeit, die sich im Storytelling breitmacht, so gar nicht leiden (in Filmtiteln ausgedrückt: unendlich viel lieber Schultze Gets The Blues als Kill Bill).

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    • Stephanie Jaeckel 2. Juli 2020

      😂 – Geht mir vielleicht auch so, was du vom „tabulosem Storytelling“ schreibst. Ich mag lieber die Sprache. Oder die Art, wie erzählt wird. Wie Raum geschaffen wird, Atmo. Weniger das Fortkommen der Geschichte. Und auch die super Themen, die jetzt auch für Laien aus allen möglichen wissenschaftlichen Bereichen lesbar aufbereitet werden, machen mir gerade mehr Spass, als Fiktion. Vielleicht ist das eben so eine Entwicklung die manche machen beim Älterwerden, und für die, die empfindliche und viel beanspruchte Augen, jajajaja. Hast Du etwas, mit dem Du das Lesen ersetzt oder nimmst Du Dir für alles andere jetzt mehr Zeit?

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      • Christian W. 2. Juli 2020

        Das Lesen hat bei mir früher viele Lücken gefüllt – vor allem die zweieinhalb Pendlerstunden pro Tag im Spätherbst/Winter, wenn ich nicht mit dem Rad ins Büro wollte. Diese Lücken gibt es nicht mehr, seit ich, jetzt im achten Jahr, nur noch zwei Treppen zwischen Bett und Büro habe. Und die Zeit, die durchs Nicht-mehr-Pendeln eingespart wird, geht praktisch komplett in die Büroarbeit, weil … na ja, halt die Berufsrealitäten von Soloselbstständigen in schwierigen Branchen. Ich sitze also mehr als noch vor zehn Jahren am Bildschirm und die Augen sind abends entsetzlich müde.

        Was ich heute an Zeit für mich finde, nutze ich möglichst entweder zum Spazierengehen/Radfahren/Fotografieren oder für manuelles Arbeiten in der Werkstatt. Was nicht heißt, dass ich dem Lesen nicht auch hinterhertrauere. Wann immer in einem Blog jemand mit Proust- oder Joyce-Lektüre anfängt, denke ich mir, hach, ich müsste auch mal wieder … Aber dann wieder denk ich mir, das kann ich, dann mit mehr Dioptrien, in zehn oder 20 Jahren immer noch mal machen – jetzt bin ich noch fit genug, meine Holzkamera durch die Landschaft zu schleppen, dann vermutlich nicht mehr, also Prioritäten setzen 🙂

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        • Stephanie Jaeckel 4. Juli 2020

          Ja, ich merke, ich gehe auch viel lieber raus als früher. Ich habe manchmal das Gefühl, soooo viele Dinge überhaupt erst zu sehen. Manchmal bin ich wie süchtig und kann es gar nicht erwarten, wieder los zu laufen. Vielleicht ist es auch das: Ich sitze längst nicht mehr so gerne wie früher.

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  5. dieterkayser 5. Juli 2020

    Kommt mir alles sehr bekannt vor. Hörbücher kann ich nur als Einschlafhilfe. Und lange Romane? Wenn ich dran denke, dass ich schon mal den „Mann ohne Eigenschaften“ gelesen habe! „A la recherche du temps perdu“ habe ich mir vor drei oder vier Jahren angeschafft. Bin bis Seite 100 vom ersten Band gekommen. Und Krimis eh nur als Film. Liebe Grüsse!

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