Ende der legalen Sexarbeit

Grundsätzlich habe ich zur Zeit keine Befürchtungen. Ich sehe weder Demokratie noch den sie sichernden Rechtsstaat in Gefahr. Zumindest nicht in Deutschland. Dennoch hat mich der Vorstoß einiger Bundestagsabgeordnete (Männer und Frauen, parteiübergreifend) unangenehm überrascht, die im Anschluss an die Corona-Einschränkungen ein generelles Sex-Kaufverbot fordern. Sexarbeit ist zur Zeit wie andere Gewerbe stark eingeschränkt. Drastischer jedoch als in anderen Gewerben scheint die Zahl der Übertretungen zu sein.

Ich bin kein Fan von Prostitution. Aber ich sehe, wie mühsam eine halbwegs sichere soziale und vor allem gesundheitliche Versorgung für die Menschen geschaffen wurde, die in diesem und angrenzenden Metiers arbeiten. Das so genannte „nordische Modell“, auf das sich die an dem Brief beteiligten Abgeordneten beziehen, gilt u.a. in Schweden. Dass die Prostitution dort seitdem verschwunden sei – naja, kann man sich denken: sie ist an die Grenzen des Landes gerutscht, ansonsten sind Sexarbeiter/innen in die Illegalität getaucht.

Das Thema wird spätestens 2022 wieder eins, da werden die aktuellen Maßnamen auf den Prüfstand kommen. Es ist eine Angelegenheit, die polarisiert. Was denkt Ihr zu dem Thema?

Filed under: Allgemein

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Wer die Welt erkennen will, sollte genau hinsehen. Schon als Kind habe ich mir häufig die Augen gerieben und - wenn es sein musste - noch einmal hingeschaut. Mittlerweile arbeite ich als Journalistin und als Autorin. Auch hier ist das genaue Hinsehen, keineswegs das Schreiben, die, wenn man so will, Kerntätigkeit. Doch während ich meinen Blick bei der Arbeit fokussiere und das Gesehene zu allen möglichen Richtungen hin ausleuchte, möchte ich in meinem Blog kurze Blicke wagen. Wer zurückschaut, ist herzlich willkommen.

Comments 12

  1. Ulli 27. Mai 2020

    Ich denke, dass eine Rücknahme der Legalität noch mehr Leiden erzeugen wird. Ausserdem macht mich der Rückwärtsgang in vielen Bereichen sehr nachdenklich. Und immer eieder trifft dieser Umstand hauptsächlich die Frauen.
    Liebe Grüße
    Ulli

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    • Stephanie Jaeckel 27. Mai 2020

      Dein Begriff vom „Rückwärtsgang“ scheint mir treffend. Ich verstehe den Wunsch, sich gegen das Phänomen der Prostitution zu positionieren. Aber es scheint ja nach – man kann hier wirklich „jahrtausendelanger Erfahrung“ schreiben, ohne pathetisch zu klingen – auch eine Tatsache zu sein, dass Gesellschaften ohne Prostitution nicht auskommen. Rückschritte sind in einer solchen Situation, wie mir scheint, wenig erfolgversprechend.

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      • Ulli 27. Mai 2020

        Das glaube ich auch.
        Es gab eine Zeit in der ich mich intensiv mit der Prostitution auseinander gesetzt habe, wie du schreibst, es gibt sie seit Jahrtausenden, ohne sie gebe es meiner Meinung nach noch mehr gewalttätige Männer. Ich muss das nicht bewerten, ich darf darüber sinnieren. Auf alle Fälle bin ich seitdem solidarisch mit diesem Gewerbe.

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  2. Myriade 27. Mai 2020

    Ich denke, dass zum Thema Prostitution die Macht des Faktischen so stark ist, dass es sinnlos ist, sie ausrotten zu wollen. Stichwort „Jahrtausende“. Die Situation der Prostituierten oder Sexarbeiter*innen oder wie immer man sie nennen möge zu verbessern, halte ich aber für gut und notwendig. Es ist ja nicht einzusehen, dass Frauen und auch Männer, die eine Dienstleistung anbieten und durchführen geächtet und rechtlos leben sollen, während das Inanspruchnehmen dieser Dienstleistung als völlig normal betrachtet wird

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    • Stephanie Jaeckel 29. Mai 2020

      Ach, Mensch, ich kann schon wieder bei Dir nicht liken. Hast Du irgendeine Einschränkung für Deine Webseite? Ich kann da auch nicht mehr kommentieren – !? Und ja, ich denke eben auch, dass alles, was im weitesten Sinn mit Prostitution in Verbindung gebracht werden kann, auch erlaubt bleiben muss. Sonst ist es so wie mit dem Elefanten, der fett im Raum sitzt, während alle versuchen so zu tun, als könnten sie ihn nicht sehen…

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      • Myriade 29. Mai 2020

        Oops, nein ich habe BEWUSST keine Einschränkungen. Was WP so einstellt, ist eine andere Sache. Aber erfahrungsgemäß lösen sich solche Probleme nach einer Weile von selbst. Ich hatte das auch schon mehrmals bei mehreren Blogs. Du bist auf jeden Fall höchst willkommen !

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  3. Achim Spengler 27. Mai 2020

    Ups, war noch nicht fertig 🙂

    Es ist ja bezeichnend, dass Prostitution, egal unter welchen Herrschaftsverhältnissen, offenbar nicht zum Verschwinden gebracht werden kann. Ich denke es ist nötig, sie aus den Sphären der Illegalität herauszuführen, wo dies noch nicht der Fall ist. Zwangsprostitution muss härter strafverfolgt werden. Rechtliche und versicherungsgemässe Gleichstellung aller Sexarbeiter*innen gehört ebenfalls dazu. Aber auch die Seite der Nachfrage sollte keine Strafverfolgung fürchten müssen.

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  4. kritikverloren 28. Mai 2020

    Sali Stephanie,

    Das ist ein schwieriges Thema, da es mehrere beinhaltet.
    Zum einen beinhaltet Prostitution mehrere Facetten. Das beginnt bereits mit der freiwilligen Entscheidung des Berufs, oder dem Zwang. Und eben genau auf letzteres stützt sich das schwedische Modell. Es soll die Förderung der Prostitution unterbinden. Indem man die Freier bestraft.
    Das Manko daran ergibt sich, weil man somit auch den Sexarbeiter*innen die Lebensgrundlage entzieht, die diesen Beruf freiwillig ausüben.
    Nun wird Corona leider auch dazu genutzt, um zuvor auf dem Prüfstand und zur Debatte stehende Gesetze durchpresst. So entsteht zumindest der Eindruck. (Beispiele: Aufweichung des Datenschutz, billige Arbeitskräfte, erweiterte Befugnisse für Ministerien. Quasi wie nach 9/11, als man alle Gesetzesänderungen damit begründete, „um den Terror zu bekämpfen“).
    Nun ist COVID-19 eine Tröpfcheninfektion. Die Verbreitung findet u.a. bei direktem Kontakt, oder dem Nicht-Einhalten der Abstandsregeln statt. Wo dies, neben Sex, Sport etc noch alles passieren könnte ist offensichtlich.
    Ich persönlich denke, dass die Abwägung, wie und was man unterbindet, sich nach GG Artikel 1 richten soll. Aber einzelne Bereiche genau betrachtet werden müssen.

    Liebe Grüsse aus Züri
    Christian

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    • Stephanie Jaeckel 28. Mai 2020

      Liebe Christian, danke für Deine ausführliche Anmerkung. Jetzt ist mein Beitrag eigentlich erst vollständig. Ganz genau verstehe ich nicht Deinen Punkt, außer, dass ich natürlich grundsätzlich übereinstimme, dass das ein enorm schwieriges Thema ist: Zwangsprostitution ist illegal. wie jegliche Form der Sklaverei und des Menschenhandels. Und insofern verboten und gesetzlich geahndet. Dass sich obdachlose, arme oder süchtige Menschen prostituieren ist ein ernstes soziales Problem. Das wir nach wie vor nicht gelöst haben. Hier und bei der kriminellen Variante müssen wir immer noch nachbessern. Der Rest ist ein Job. Dass hier eingeschränkt wurde, um die Ansteckungsgefahr zu verringern, halte ich für richtig. Da gibt es gar kein Wenn und Aber. Ich befürworte hier sogar eher eine spätere denn eine frühere Lockerung. Genau deshalb habe ich den unguten Eindruck, dass in dem Brief aus dem Bundestag zu schnell geschossen, bzw. zu plakativ mit dem Thema umgegangen und eine Rundumlösung angeboten wird, die meines Erachtens keine sein kann.

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      • kritikverloren 28. Mai 2020

        Mein Punkt ist, dass es unterschiedliche Komponenten (GG, freie Berufswahl – soweit tatsächlich frei entschieden – und das Durchdrücken von Gesetzen) beinhaltet.
        Gleichzeitig ist die Politik in Zugzwang, um ausgereifte Konzepte einzubringen. Die entweder gar nicht, oder als Rundumschlag existieren. Beides ist m.E. nicht ausgereift. Und muss besser durchdacht werden.
        Darüber hinaus wäre es ratsam, die Entscheider würden sich mit den Betroffenen auch auseinandersetzen. Galionsfiguren gibt es genug. Salome Balthus, als Beispiel. Wieso nicht zusammen Konzepte entwickeln die auch tragen? Aber nein, Schwedisches Model (so die Politik) und als Diskussionsplattform Twitter.
        Das ist vermutlich schwierig, da man so eben keine Konsens erreichen kann. Sondern lediglich Zustimmung in der eignen Bubble erhält.
        Dabei wäre Zusammenarbeit wirklich ein Fortschritt. Wie in anderen Bereichen übrigens auch.

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        • Stephanie Jaeckel 29. Mai 2020

          Die Entscheider/innen – das wird Dich vielleicht überraschen – setzen sich meistens mit den Betroffenen auseinander. Bevor ein Gesetz beschlossen wird, gibt es einen langen Weg durch verschiedene Gremien, auf verschiedenen Ebenen, Diskussionen mit Beteiligten, harte Auseinandersetzungen, Textänderungen und was nicht alles. Gemeinsame Konzepte sind enorm schwierig, schon bei den ersten Diskussionen wird meist klar, dass es zu viele spezielle Fälle gibt, um in einem allgemeinen Konzept Platz zu finden. Und wir können uns meist alle an diesen Vorarbeiten beteiligen. Deshalb auch mein Beitrag: Wer sich selbst schon mal Gedanken macht und eine Idee hat, kann gut mitentscheiden.

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