Genugtuung

Ich weiß, das ist ein gefährliches Terrain. Dennoch. Ich fühle mich gerade für viel verbal zugefügtes Unrecht entschädigt, dass es mir so richtig gut tut. Wovon ich rede? Vom „Freiberufler“, wahlweise der „Freiberuflerin“.

Viele verwenden die Bezeichnung nach wie vor mit einem ironischen Zungenschlag: „Ja Du. Du bist ja Freiberuflerin…“ (will sagen: Du hast ja gar keine Ahnung, was richtige Arbeit bedeutet, Du kannst lange schlafen, endlos Pausen machen, im Café oder im Park arbeiten, am Strand sogar. Du kannst Termine verschieben, Meetings schwänzen – d.h. wahrscheinlich hast Du gar keine – Du sitzt gemütlich im Kämmerlein und wirst von niemandem gestört. So gut möchte ich es auch mal haben…“)

Jaja. Und jetzt werden die Augen verdreht. Ausgerechnet von denjenigen, die sich immer ins Home-Office geträumt haben: Jetzt ist da keiner mehr aus der IT-Abteilung, der/die schnell angesprungen kommt, wenn der Drucker klemmt oder der Rechner spinnt. Kein/e Praktikant/in die mal schnell was recherchiert oder ein Päckchen packt. Niemand, der genauso schnell mal eine Frage beantwortet, kein/e Kolleg/in, die oder der mit einer neuen Idee ein altes Problem neu – und erfolgsversprechend – aufrollt. Was muss jetzt telefoniert werden! Und wie ärgerlich, wenn man tagelang niemanden (=niemanden) erreicht. Keine Briefmarken da? Kein Papier mehr? Wer war nochmal für die Frage XY zuständig? Wie kann ich 1000 E-Mails in zwei Stunden beantworten? Und warum ist der Kaffee schon wieder alle?

Eben. Es ist nicht gemütlich. Wir müssen von zu Hause aus eine komplette Firma simulieren. Wenn es auch nur eine Ein-Frau/Mann-Firma ist. Und wer, wie ich, gelegentlich von zu Hause (oder dem Büroplatz aus) Projekte mit mehreren Mitarbeiter/innen koordiniert, hat nie genug Hände, um alles immer wieder in den Hut zu packen. Wir arbeiten tatsächlich. Ob mehr oder weniger als andere, sei im einzelnen Fall dahin gestellt. Aber das ist – zumindest für mich – auch nicht die Frage. Und nein. Ich habe keine große Wohnung, in der ich für verschiedene Aufgaben von Zimmer zu Zimmer wechseln kann. Gearbeitet, gegessen, gestreamt und gelesen wird an immer demselben Tisch. Das geht. Freiberufler eben… augenzwinker… allen einen guten Start!

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Wer die Welt erkennen will, sollte genau hinsehen. Schon als Kind habe ich mir häufig die Augen gerieben und - wenn es sein musste - noch einmal hingeschaut. Mittlerweile arbeite ich als Journalistin und als Autorin. Auch hier ist das genaue Hinsehen, keineswegs das Schreiben, die, wenn man so will, Kerntätigkeit. Doch während ich meinen Blick bei der Arbeit fokussiere und das Gesehene zu allen möglichen Richtungen hin ausleuchte, möchte ich in meinem Blog kurze Blicke wagen. Wer zurückschaut, ist herzlich willkommen.

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