Ich sehe was… – nicht

Ich erwarte von Blockbustern eigentlich keine großen Erkenntnisse, zumal, wenn ich sie schon das dritte oder vierte Mal ansehe. Zum 20jährigen Jubiläum habe ich mir gestern noch einmal den Film „Matrix“ angeschaut. Ich mag ihn und denke, er hat die Zeit trotz fortgeschrittener Technik gut überstanden. Der eigentliche Punkt lag dann auch nicht in dem, was dort gesagt oder getan wird, es war viel erstaunlicher: Ich hatte offensichtlich den Film nie wirklich gesehen.

Es gab nicht nur ganze Passagen, die ich wirklich gar nicht erinnern konnte, sondern auch Zusammenhänge, die – ich muss das betonen – im Film laut und deutlich ausgesprochen werden, die ich vollkommen überhört haben muss. Drei oder vier Mal!

Keine Ahnung. Ein Erklärungsversuch: Möglicherweise habe ich den Film stets mit Untertitelung gesehen und war mit Lesen beschäftigt, wo ich hätte zuhören sollen. Das ist sogar relativ plausibel, weil zumindest die DVD noch auf Untertitelung eingestellt war, die ich dann ausgeschaltet habe.

Aber mir wurde mit einem Schlag auch klar, dass bei Filmen offensichtlich etwas ähnliches passiert, wie beim Lesen von Romanen: man liest, sieht, versteht nur das, was einen gerade dringend interessiert. Und das kann sich bekanntlich im Laufe des Lebens ändern. Das Ulkige an der Sache: Ich war fast schon euphorisch. Es war so, als würde ich eine Lektion bekommen, die sonst eher theoretisch daherkommt: Leben bedeutet Erfahrung. Der Blick ändert sich. Ich ändere mich. Und es gibt – zumindest hier und da – einen Zuwachs. Hipp Hipp Hurra!

 

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Wer die Welt erkennen will, sollte genau hinsehen. Schon als Kind habe ich mir häufig die Augen gerieben und - wenn es sein musste - noch einmal hingeschaut. Mittlerweile arbeite ich als Journalistin und als Autorin. Auch hier ist das genaue Hinsehen, keineswegs das Schreiben, die, wenn man so will, Kerntätigkeit. Doch während ich meinen Blick bei der Arbeit fokussiere und das Gesehene zu allen möglichen Richtungen hin ausleuchte, möchte ich in meinem Blog kurze Blicke wagen. Wer zurückschaut, ist herzlich willkommen.

Comments 8

  1. wechselweib 30. März 2019

    Ich lese ja auch manche Bücher in verschiedenen Lebensphasen gerne immer wieder. Und stelle da auch andere Blickwinkel fest.
    Bei Filmen war mein einschneidendstes Erlebnis „Mamma Mia!“ einmal am Ende meiner Ehe, wo ich den ganzen Film heulen musste und dann getrennt in Kur, wo ich mich schlappgelacht habe und dann in glücklicher Beziehung, wo ich mehr das Romantische empfunden habe.

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    • Stephanie Jaeckel 31. März 2019

      Ich habe mich offensichtlich nicht ganz klar ausgedrückt – es ging mir nicht um verschiedene Stimmungen (die allerdings sicher auch eine Rolle spielten), sondern um, na, vielleicht Wahrnehmung oder Wachheit. Ich hatte offensichtlich die ersten Male unglaublich viel damit zu tun, irgendwelche Zusammenhänge zu verstehen, so dass ich die Story immer wieder aus den Augen verloren habe. Es fehlten ganze Passagen, und ich weiß, dass ich nicht eingeschlafen bin. Ich überlege, ob ich zu sehr mit eigenen Spekulationen beschäftigt war, um das, was tatsächlich passierte, falsch oder gar nicht zu verstehen. Es geht mir hier stärker um Wahrnehmung, vielleicht einfach auch Offenheit. Was aber sicher auch eine Rolle spielte, und da wären wir wieder bei den Gefühlen, ich habe damals immer wieder darauf gefiebert, ob Neo und Trinity sich „bekommen“. Diesmal war ich mehr an der Figur des Morpheus interessiert. Das hat möglicherweise auch die Perspektive verschoben.

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  2. stresemann 30. März 2019

    Ich glaube, es liegt nicht nur am Einzelnen, dass Filme, Bücher, Theaterstücke oder Erlebnisse von früher mit zunehmendem Alter anders gesehen werden. Es liegt auch an der Veränderung der Zeit. Der Witz eines Loriot oder – wie eben beim Film Matrix – der Gedanke, dass die Welt von Maschinen regiert wird: Das haut heute keinen mehr „vom Hocker“. Die Empathie kümmert sich um andere Dinge. Das ist keine Kritik an der Gesellschaft, sondern eben nur die Tatsache, dass sich die Welt immer weiter verändert.

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    • Stephanie Jaeckel 31. März 2019

      Hm, ich bin mir nicht sicher, ob ich Dich verstehe. Ich habe „Matrix“ nicht als ge- oder sogar veraltert wahrgenommen – erstaunlicherweise, denn der Plot basiert ja auf Computersimulation und Mobiltelefonen, bzw. den alten Analoggeräten, das hätte – wie auch die Klamotten – schnell überholt wirken können. Tut es aber gar nicht. Und die Angst davor, (auch noch unwissentlich) in einer Diktatur zu leben, oder dass die Realität nur Schein ist, um uns zu täuschen – auch da würde ich sagen, das hat nichts an Brisanz verloren oder an Bedrohung. Die Geschichte an sich hat mich nach wie vor gepackt – eben auch diese Frage, ob jemand an sich glaubt oder nicht. Ich bin allerdings ein ziemlicher Hasenfuß, was Action-Filme angeht. Vielleicht fühlte ich mich auch die ganze Zeit viel zu sehr von den Bösewichten verfolgt, um klar denken und alles kapieren zu können.

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  3. FMR 1. April 2019

    Die Ursache für den Eindruck, einen Film o.ä. nicht wirklich oder anders gesehen zu haben, liegt vor allem an der ganz normalen Gedächtnisleistung. Es ist erwiesen, dass uns unser Gedächtnis häufig ziemlich arg täuscht und falsche Details und Zusammenhänge als richtig vorgaukelt. Jeder Gedächtnisabruf verändert sozusagen den Skript, also z.B. wenn wir jemandem den Film erzählen, den wir gesehen haben. Schon ist er ein wenig verändert…
    LG Franz

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