Am Rand

Ich lese gerade parallel – na, es war die letzten Tage wohl eher so ein Brüten von Seite zu Seite – in dem Gedicht-Kapitel von Ulrike Draesners Poetikvorlesung „Grammatik der Gespenster“(2018)  und in dem Buch „Die Grenzen der Sprache“ von Anna Migutsch (2013), dessen erstes Kapitel sich um die Gedichte von Emily Dickinson entfaltet.

Unendlich viel öffnet sich bei der Lektüre – wer selbst schreibt, findet hier Türen, die ihr oder ihm bekannt sind. Oft gelingt es nicht, sprechen oder schreiben „dingfest“ zu machen, weil zu viel gleichzeitig passiert. Deshalb ist es auch so schwer, Texten beizukommen oder zu erklären, wie schreiben oder auch lesen geht. Bei Ulrike Draesner und Anna Migutsch finde ich dagegen sehr genaue Beschreibungen dessen, wie beide Autorinnen selbst schreiben oder lesen, die mich zu eben jenen Türen führen, die ich von meinen eigenen Erfahrungen kenne, dich ich wohl aber nur selbst aufstoßen kann.

Beide konzentrieren sich auf die Erlebnisse des Schreibens am Rand – oder im Gespensterland, wie Ulrike Draesner es bildlicher formuliert. Ich sehe, wie unendlich groß dieser Saum ist, der sich scheinbar wie Horizonte in alle Richtungen erweitern lässt. Ich denke: Das „Ich“ zu fassen, ist möglicherweise von den Rändern her viel aufregender, als bei dem Versuch, zum Kern vorzudringen. Zumindest kommt man dem menschlichen Ausgesetztsein dort eher auf die Spur. Vielleicht eine gute Übung gegen zu viel Heimatgefühl…

Das Foto habe ich letzte Woche auf dem Tempelhofer Feld gemacht. Könnte auch ganz woanders sein – oder?

Filed under: Allgemein

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Wer die Welt erkennen will, sollte genau hinsehen. Schon als Kind habe ich mir häufig die Augen gerieben und - wenn es sein musste - noch einmal hingeschaut. Mittlerweile arbeite ich als Journalistin und als Autorin. Auch hier ist das genaue Hinsehen, keineswegs das Schreiben, die, wenn man so will, Kerntätigkeit. Doch während ich meinen Blick bei der Arbeit fokussiere und das Gesehene zu allen möglichen Richtungen hin ausleuchte, möchte ich in meinem Blog kurze Blicke wagen. Wer zurückschaut, ist herzlich willkommen.

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