Je nachdem, wie die Stimmung gerade ist, mag diese Aussage Erleichterung oder Angst auslösen. Dumm, närrisch, unklug, albern – stimmt alles mehr oder weniger. Und es kann einen erleichtern, dass man nicht die oder der Einzige ist mit dieser Macke. Wenn es schlimm kommt, wird es gefährlich. Es kommt – egal ob man Nachrichten schaut oder sich in die Weltgeschichte vertieft – häufig schlimm. Und? Was machen wir mit dieser Erkenntnis?
Der 1948 in Japan geborene und in New York lebende Künstler Kiyomitsu Saito nimmt sich seit Jahren schon der menschlichen Dummheit an. Er seziert sie geradezu in seinen minimalistischen Zeichnungen, nimmt sie auseinander und setzt sie zu Formeln, zu Mosaiken, zu Statements neu zusammen. Sein Stil zwischen Comic-Figuren, plakativen Design-Entwürfen und formelhaften Zeichenstakkatos ist ernst und witzig zugleich. Die Bilder wirken spontan erdacht wie Street-Art – tatsächlich bringt Kiyomitsu Saito viele Arbeiten passgenau in Straßen, Höfen und Industriegegenden unter -, gleichzeitig minutiös ausbalanciert, wenn auch mit leichter Hand.
Man möchte meinen, einem Ethnologen zu begegnen, der seine Erkenntnisse in immer neuen Schautafeln notiert. Für Analphabeten? Für Aliens? Zum schnellen Memorieren? Man könnte auch an Haikus denken, jene Kurzgedichte aus Japan, die flüchtige Momente und ewige Weisheiten leichthändig miteinander verbinden. Und warum sollen Zeichnungen eigentlich nicht Gedichte sein? Lehrgedichte meinetwegen, denn Künstler/innen, die als Ethnolog/innen unterwegs sind, gefallen mir.
Seine ersten Ausstellungen hat Kiyomitsu Saito Ende der 1970er, Anfang der 1980er Jahre in Japan. Mit den „Foolish Forms“ tritt er 1993 erstmals in New York an die Öffentlichkeit. Er konzentriert sich auf Zeichnungen, daneben entstehen animierte Kurzfilme und Videos. Ansonsten gibt er wenig von sich preis. Dass er von 1990-95 an der Art Student League studiert hat, steht in seiner Vita. Ansonsten bleibt es still. So neugierig ich bin, so sehr imponiert mir diese Zurückhaltung auch. Denn sie wirkt sich auf meinen Blick auf seine Zeichnungen aus: Sie bleiben anonym und geben damit keinen Anstoß zur Diskussion. Sie sind eher wie allgemeine Statements, die mich dazu anregen, mit mir selbst ins Gespräch zu kommen.
„Weil Menschen Wörter haben, sind ihre Wünsche grenzenlos.“ – So lautet ein kurzes Statement zu der Serie „Wordroach“, aus dem die oben gezeigte Abbildung stammt. Ist das so?, fragt die Ethnologin in mir. Die Kunsthistorikerin beißt sich beschämt auf die Lippen. Und schweigt nach dem ganzen Gerede jetzt lieber. Auf flickr sind weitere Arbeiten von Kiyomitsu Saito zu sehen.
mickzwo 24. Juli 2017
Genau wie dieses Lied: Rag’n’Bone Man – Human (Official Video) auf Youtube.
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