Wahrheit

Als ich jünger war, habe ich überall nach der Wahrheit gesucht. Dass ich sie nicht finden konnte, hat mich oft zur Verzweiflung getrieben. Bis ich begriff, dass es die Wahrheit so nicht gibt. Es gibt Fakten und es gibt Wahrheiten (beide im Plural) – Fake News sind übrigens in dem Sinn keine Fakten, sondern wissentlich eingeschleuste falsche oder manipulierte Meldungen). Die Wahrheit ändert sich in dem Sinn in dem ich mich verändere. Der Kern einer Wahrheit bleibt wahrscheinlich unangetastet. Es zeigt sich jedoch, dass auch die Wahrheit nicht in einem leeren Raum für sich steht, sondern von allen Seiten mit Realität (oder eben verschiedenen Realitäten) umgeben ist. Es gibt meine Wahrheit, die sich eben auch noch ändert. Deine, seine, ihre, eure und so weiter. Mittlerweile habe ich die Fragestellung geändert. Ich suche nicht mehr nach dem einen Punkt, Grund oder Ursprung, sondern betrachte das ganze Feld, bilde ein Netz, wechsele die Perspektiven. Und bin frei, nicht mehr nach dem einen zu suchen, sondern alles, was auftaucht, in Betracht zu ziehen.

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Wer die Welt erkennen will, sollte genau hinsehen. Schon als Kind habe ich mir häufig die Augen gerieben und - wenn es sein musste - noch einmal hingeschaut. Mittlerweile arbeite ich als Journalistin und als Autorin. Auch hier ist das genaue Hinsehen, keineswegs das Schreiben, die, wenn man so will, Kerntätigkeit. Doch während ich meinen Blick bei der Arbeit fokussiere und das Gesehene zu allen möglichen Richtungen hin ausleuchte, möchte ich in meinem Blog kurze Blicke wagen. Wer zurückschaut, ist herzlich willkommen.

Comments 7

    • Stephanie Jaeckel 16. Juni 2017

      Hmmm, ich weiß nicht. Gerade sind so ein paar Jahrestage, vom Todestag meines Freundes hatte ich ja kurz geschrieben, meine beste Freundin feiert in zwei Wochen Silberne Hochzeit – um hier zwei Ereignisse zu nennen. Aber eigentlich habe ich das Gefühl, dass meine Reise noch nachwirkt. Kleine Häppchen sind aber auch schon wieder in Aussicht 😉

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  1. volkerwiesner 19. Juni 2017

    Wahrheit und Wahrheiten – das ist ein vielschichtiges Thema. „Ein Wildermuth wählt immer die Wahrheit“ fällt mir da als Zitat aus einer Geschichte von Ingeborg Bachmann ein. Es geht um den Richter ( Name: Wildermuth ), der es sich zur Lebensaufgabe gemacht hat, immer die Wahrheit herauszufinden. Und eines Tages zur Erkenntnis kommt, dass es sie nicht gibt. Ein Drama. Es gibt natürlich schon Wahrheiten, die dauerhaft gelten: Logik oder physikalische Wahrheiten. Wobei gerade Mathematik oder Logik ja auf Axiomen aufbaut – eine Übereinkunft über universelle Voraussetzungen. Und „Übereinkunft“ trifft es ja: wir nehmen als Individuen Situationen unterschiedlich wahr und einigen uns auf eine gemeinsame Wahrnehmung. Da ist es schon wieder, das Wort „wahr“. Da kann man jetzt drüber verwirrt oder traurig sein, es ist halt so. Der Vorkommentator hat das mit seinen beiden Skulpturbildern schön gezeigt: allein eine andere Perspektive schafft eine andere Interpretation. Nach der Wahrheit suchen: wie macht man das eigentlich ? Reportagen sollen objektiv sein. Über Journalistische Texte ? Oder ist Wahrheitssuche auch die Suche nach Ehrlichkeit ? Das liegt für mich nah beisammen. „Sag mir die Wahrheit“. Darüber, was du fühlst. Eigentlich einfach und doch so schwer. ( für Frauen vielleicht einfacher als für Männer ? ). „Liebst du mich“? – auch das eine Wahrheitsfrage. Und da war dann noch unser Gehirn, welches Realität verarbeitet und da zwangsweise Reize filtert. Das ist schön mal die Grundlage zu unterschiedlichen Sichtweisen. In Verbindung zu individuellen Erinnerungen wirds noch unterschiedlicher. Und mir diesen Voraussetzungen nach Wahtheit suchen ? Au weia … Aber keine Angst, man kann sich auch andere Ziele setzen und zu ähnlichen Ergebnissen kommen 🙂

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    • Stephanie Jaeckel 19. Juni 2017

      Als Vulkanier kann Mr. Spock nicht lügen. Als halber Mensch tut er es gelegentlich doch, interessanterweise immer mit gutem Ausgang. Naja, für ihn und „die Guten“ – ist halt eine Unterhaltungssendung. Aber dass Lügen gelegentlich als sozialer Kitt unabdingbar ist, darüber haben gerade in letzter Zeit viele geschrieben. „Übereinkunft“ finde ich einen sehr guten Begriff. Wir merken ja, dass selbst physikalische Wahrheiten manchmal wackeln, wenn auch ich nicht zu den Menschen gehören, die die neuen Erkenntnisse unbedingt begreifen. Journalistische Texte sind recherchiert. Und versuchen damit, so nah wie möglich an die Wahrheit zu kommen. Oft sind es ja schmutzige Geschäfte oder Ungerechtigkeiten, die von Journalist/innen ins Auge gefasst werden. Hier ist das Zauberwort ein arg abgegriffenes: Transparenz. Es kommen Leute zu Wort, die sonst vielleicht nie befragt werden, Betroffene, Zeugen, so genannte „kleine“ Männer und Frauen. Es werden Dokumente veröffentlicht, die von den Unterzeichner/innen vertuscht werden, es werden Zusammenhänge hergestellt, die unsichtbar bleiben sollen. Usf. Journalist/innen können belogen werden. Sie können sich irren. Sie können selbstverliebte Motive haben. Aber sie setzen ihren Namen unter die veröffentlichten Texte und sind damit haftbar. Boulevardpresse, das sage ich hier sicher nicht zum ersten Mal, unterliegt anderen Regeln. – Was und wie man fühlt, wechselt wahrscheinlich so oft wie das Wetter. Man kann sich für Menschen entscheiden. Man kann sie lieben und ehren, wie es zum Beispiel das Eheversprechen verlangt. Aber ob man das in Wahrheit auch jeden Tag so fühlt, halte ich für unwahrscheinlich. Verwirrt sind wahrscheinlich viele Menschen, wenn sie das begreifen. Traurig zu werden, halte ich für die falsche Reaktion. Wo es nicht eine Wahrheit gibt, ist das Leben offener, wilder, überraschender. Das ist doch am Ende ein viel größeres Versprechen als „die“ Wahrheit – ?

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