Magie des Augenblicks

Bevor ich mich weiter mit Henri Rousseau beschäftige, hier eine Ausstellungsankündigung. Ich bin diesbezüglich etwas müde geworden. Ausstellungen, vor allem solche, die als Highlight angekündigt werden, reizen mich immer weniger. In diesem Fall war ich am Rand mit der Vorbereitung beschäftigt und von Anfang an hingerissen. Zum einen, weil es sich um unglaublich gute – und in Deutschland eher selten gezeigte – Exponate handelt. Zum anderen, weil, was selten unterwegs ist, eine (ab)geschlossene Sammlung vorgestellt wird, die eine Menge über den Zeitgeist erzählt, und zwar von beiden Seiten: Von den Künstlern und von den Sammler/innen her.

„Magie des Augenblicks“ heißt die Schau, die schon in Paris und Hamburg zu sehen war. Sie hat letzte Woche im Kunstmuseum Moritzburg in Halle eröffnet und läuft bis zum 11. September. Es handelt sich um einen Teil der Sammlung von Hedi und Arthur Hahnloser, einem Schweizer Ehepaar, die Anfang des 20. Jahrhunderts bis Mitte der 1930er Jahre ihre Schätze zusammen trugen. Hier kann man sehen, wie sich ein kunstinteressiertes Ehepaar (Hedi hatte eine Ausbildung als Malerin absolviert, der Mann war Zahnarzt) an zeitgenössischer Kunst abarbeitet. Wir verfolgen, wie ihr Interesse um einige, mittlerweile als hochrangig gewertete Künstler kreist (Félix Vallotton, Pierre Bonnard, Odilon Redon), während sie, je weiter die Zeit fortschreitet, von den Neuen (u.a. Picasso) nicht mehr so recht angesprochen werden.

In frühen Jahren sind sie regelrechte Trüffelhunde und mussten es auch sein, denn obwohl finanziell gut gestellt, konnten sie sich keine Künstler/innen leisten, die zu ihrer Zeit schon en vogue waren. Schön zu sehen, an ihrem Bemühen, Bilder von van Gogh und Cézanne zu bekommen, jahrelange Streifzüge waren dazu möglich, führten aber auch zum Ziel (um so viel zu verraten). Sie haben (Künstler)Freunde, die sie in die Pariser Kunstszene einführen und gehen stracksmutig in die Ateliers, um sich umzusehen. Ihre erste Entdeckung ist der in Frankreich lebende Schweizer Félix Vallotton, eine nackte Badende von ihm wird zu Hause einen ersten Skandal auslösen. Was die Hahnlosers darin bestätigt, auf etwas Neues gestoßen zu sein.

Das Bild von der schlafenden Schönen mit ihrer rauchenden Freundin/Kollegin (?), „La Blanche et la Noire“ (1913), ist ebenfalls von Vallotton. Den Skandal kann man heute noch spüren. Hedi schreibt später eine Monographie über den Künstler, ihr gilt der Verdienst, den Maler in der Schweiz bekannt gemacht zu haben. Das gilt übrigens auch für Odilon Redon, der zu Hahnlosers Zeit im deutschsprachigen Raum kaum bekannt war.

Die beiden waren unermüdlich, doch als Arthur 1936 stirbt, beendet Hedi die Sammlung. Vielleicht auch, um sie als gemeinsames Werk zu erhalten. Gut zu erkennen, wohin ihre gemeinsame Neugier sie führte, aber eben auch, wo sie nicht mehr zu folgen bereit waren. Letzteres ist nicht als Kritik gemeint. Hier scheinen Grenzen im Spiel zu sein, die wir bis heute nicht ausloten können.

Die Ausstellung selbst ist eine gelungene, ach was, tolle (!!!) Rekonstruktion einer privaten Sammlung zu Beginn des 20. Jahrhunderts. Farbe, kein museales Weiß, ist an den Wänden und lässt die Bilder um so intensiver leuchten. Und ich habe mir sagen lassen, dass es im Café einen mehr als ordentlichen Kaffee gibt. Besucherherz, was willst Du mehr? Also, hinfahren, wer Interesse und Zeit hat. Ich wette, es lohnt sich.

Ich danke dem Museum, das mir Pressefotos zur Verfügung gestellt hat.

Filed under: Ausstellungsbesprechung

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Wer die Welt erkennen will, sollte genau hinsehen. Schon als Kind habe ich mir häufig die Augen gerieben und - wenn es sein musste - noch einmal hingeschaut. Mittlerweile arbeite ich als Journalistin und als Autorin. Auch hier ist das genaue Hinsehen, keineswegs das Schreiben, die, wenn man so will, Kerntätigkeit. Doch während ich meinen Blick bei der Arbeit fokussiere und das Gesehene zu allen möglichen Richtungen hin ausleuchte, möchte ich in meinem Blog kurze Blicke wagen. Wer zurückschaut, ist herzlich willkommen.

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