Das ist jetzt kein ernst gemeintes Plädoyer. Mehr so eine Fußnote. Aber mich hat’s doch echt aus den Puschen gehauen, wie viele Redewendungen erstens schon ziemlich uralt sind und zweitens in England wie in Deutschland gebräuchlich sind. Beispiele gefällig? „Sich aus dem Staub machen“ – sagen die Leute schon seit 1609. Klar, Staub gab es da genauso viel wie heute, allerdings sprechen die Engländer wörtlich von „thin air“, was mich noch mehr geplättet hat. Wussten die, dass die Luft hier und da – vor allem nach oben hin – dünner wird? „Jemanden grün und blau schlagen“, 1425. Ja, irgendwo auch klar, die Farbe der Blutergüsse hat sich in der langen Zeit auch nicht geändert. „Mit dem linken Fuß zuerst aufstehen“, 1540. Wobei es bei den Engländern die falsche Seite des Bettes ist. „Im selben Boot sitzen“, 1584. „Bienenfleißig“ sein, 1386. „Jemanden in die Enge treiben“, 1526, „Krokodilstränen weinen“, 1548. Die allerdings haben mich etwas irritiert. Weinen Krokodile wirklich? „Ein alter Hase sein“, was bei den Briten ein alter Hund ist, aber im Grunde ja wohl dasselbe, 1590. „Bis zum St. Nimmerleinstag warten“, 1200. „In ein Ohr rein, aus dem anderen Ohr wieder rauskommen“, 1374. Das „notwendige Übel“ ist auch schon fast 500 Jahre alt, 1547. „Auf den eigenen Beinen stehen“ war damals wie heute erwünscht, 1582, „ein Floh im Ohr“ wohl eher weniger, 1465. „Den Wald vor lauter Bäumen nicht sehen“ war wahrscheinlich damals das größere Problem, 1533, „Haarspaltereien“ gab es wie heute, den Ausdruck verdanken wir, wie übrigens eine ganze Reihe, Herrn Shakespeare, wer oder wie viele das auch immer war/en, 1594. Diese lange Lebenszeit von Ausdrücken hat mich wirklich überrascht. Weil sie ja nach wie vor gebräuchlich und längst nicht abgenutzt sind. Schön zu sehen auch, wie sehr Europa auch sprachlich aus gleichen Quellen gespeist wird. Wir sollten das über vermeintliche nationale Vor- und Nachteile nicht ganz vergessen.
borretsch 21. Februar 2016
Toller Beitrag.
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Stephanie Jaeckel 21. Februar 2016
Danke! Ich muss sagen, ich war auch richtig hin und weg von dieser Erkenntnis. Und das Beste: Es ist ein kleines Reclam-Heft, „English Expressions“ aus dem ich das alles gefischt habe.
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borretsch 22. Februar 2016
Super gefischt. Ich mag unsere alltägliche Vergangenheit gerne. Es interessiert mich sehr, wie die Menschen damals lebten, bevor wir zuviel geformt wurden, von Medien, Erziehungsfragen und Kirche.
Freu mich auf noch mehr Fisch.
Grüner Gruß
MION
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Jaelle Katz 21. Februar 2016
Oh. Und ich dachte, Du wärst schon in der neuen Nürnberger Ausstellung gewesen. Da will ich aber noch hin (und werde darüber schreibend erzählen): „Mein Name ist Hase! Redewendungen auf der Spur“. Vielleicht magst Du ja mitkommen 😉
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Stephanie Jaeckel 21. Februar 2016
Wow! Das hatte ich natürlich gar nicht auf dem Schirm. Klingt wahnsinnig gut, Berlin ist aber ein ziemlich gutes Stück weg von Nürnberg, ich fürchte, da wird mir auch kein Hase den Weg weisen. Aber gut, wenn Du hingehst. Ich hoffe, ich verpasse den Eintrag nicht. Viel Spaß!
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Jaelle Katz 21. Februar 2016
Nun, sie geht immerhin bis Mitte Juni, da könnte auch ein langsamer Hase den Weg von Berlin aus finden 😉
http://www.mfk-nuernberg.de/sonderausstellung-mein-name-ist-hase-redewendungen-auf-der-spur/
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Stephanie Jaeckel 21. Februar 2016
Na, ich werde mal mit dem Hasen verhandeln…
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mickzwo 21. Februar 2016
Zu diesem sehr schönen Artikel noch eine kleine Ergänzung, die Dich interessieren könnte: Pieter Bruegel d. Ä. hat mal ein Bild gemalt, das zeigte eine Auswahl der niederländischen Sprichwörter. Zu finden ist es unter anderem hier: http://www.malerei-meisterwerke.de/bilder_gross/pieter-bruegel-d.-ae.-serie-der-sogenannten-bilderbogenartigen-gemaelde-szene-die-niederlaendischen-sprichwoerter-01021.html
Komm gut in die neue Woche, mick.
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Stephanie Jaeckel 21. Februar 2016
Ah, super Hinweis, danke! Tatsächlich sind die meisten Redewendungen unglaublich bildstark. Vielleicht ganz nah auch an Traumbildern, die zwar oft genug rätselhaft sind, aber eben auch sehr kräftig. Mir waren Redewendungen gar nicht so präsent, weil sie eben einfach so da sind. Aber im Grunde sind sie auch kleine Kunstwerke. Oder Zeitkapseln. Oder eben Bilder, mit denen wir auch unsere Welt ordnen. Das Bild schaue ich mir die Tage mal in Ruhe an. Bin schon gespannt!
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mickzwo 21. Februar 2016
Unglaublich was man in dem Bild alles entdecken kann. Deine Analogien zu Redensarten finde ich bemerkenswert.
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papiertänzerin 22. Februar 2016
… da bekomme ich richtig Lust, ein paar Redewendungen, in Collagen zu verwandeln, danke!
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Stephanie Jaeckel 22. Februar 2016
Au ja! Da bin ich schon gespannt. Es ist wahrscheinlich wirklich ein ganz üppiges Feld (zum kreativen Abgrasen,…)
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