Wie die Katze um den Brei. Viele Menschen in meinem Alter kennen sich. Das kann ich von mir nicht behaupten. Mein Innenleben ist kein aufgeräumter lichtdurchfluteter Office. Nein, sicher auch keine zugerümpelte Abstellkammer. Aber eine gelegentlich unübersichtliche Raumfolge. Wie in einem Barockschloss öffnen sich hier und da Tapetentüren und neue Räume kommen zum Vorschein. Nicht immer eine schlechte Überraschung.
Wenn ich, wie gerade, an meinen Arbeitstisch gefesselt bin, und die Aufgaben darauf einen ziemlichen Stapel bilden, entdecke ich an mir eine Katzenmentalität. Es gibt plötzlich den Moment, an dem ich um den Tisch nur noch herumschleiche. Gut. Ich habe keine Lust. Kein großes Ding. Aber dann merke ich, dass es wohl irgendeine Aufgabe zu erledigen gibt, die mir unangenehm ist. Und die verhindert, dass ich überhaupt noch etwas hinkriege. Es beginnt das Schleichen um den Brei. Wo bitte ist diese Aufgabe. Was ist es? Was ich weiß: Es muss nicht unbedingt eine Arbeits-Aufgabe sein. Es kann durchaus etwas Privates sein. Ein Versprechen, das ich noch nicht eingelöst habe. Eine Geburtstagskarte, die ich nicht geschrieben habe. Oder natürlich die Steuer. Oder eine Recherche, die ich aufschiebe. Oder Bücher, deren Rückgabetermin schon abgelaufen ist. Oder die ungeputzten Schuhe. Oder ich warte auf etwas, ohne es zu wissen. Die letzten drei Tage bin ich geschlichen. Heute ist wieder freie Sicht. Ich bin zum Sprung bereit.
Verwandlerin 15. April 2020
„Mein Innenleben ist kein aufgeräumter lichtdurchfluteter Office“. Wow, was für ein großartiger symbolischer Satz!
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