Wenn Alexander von Schönburg über Tugenden schreibt, ist klar, dass das Christentum dabei eine Rolle spielt. In diesem Kontext C.S. Lewis wieder zu begegnen war voraussehbar, hat mich dennoch überrascht und gefreut. Die Geschichten aus Narnia waren mein erstes Lektüreerlebnis: unsere Klassenlehrerin erzählte sie (ja, erzählen, nicht vorlesen) in meinem ersten Jahr am Gymnasium immer Mittwochs in der 6. Stunde. Und auch, wenn jetzt vielleicht ein großes Aufstöhnen folgt: die meisten Tugenden verdanken wir unserer Christianisierung. Also vielleicht nix für Leute, die stolz erzählen, dass sie keine Kirchensteuer zahlen…
Maß halten bedeutet die Wahl haben, und insofern Freiheit (wenn auch nur die kleine persönliche). Dabei geht es weniger um bloßen Verzicht. Die Balance zwischen gelegentlichen Exzessen und dem generellen Verzicht darauf, darin besteht die Kunst. Oder um es ganz simpel zu formulieren: Nie Kuchen ist auch keine Option. Der Punkt ist, und hier kommt Lewis ins Spiel, die falschen Freunde, die Obsessionen im eigenen Leben ausfindig zu machen: Wenn ich denke, etwas zu brauchen, den Liebsten, die jährlichen Ferien, das Glas Wein am Abend oder regelmäßig ein Kleid, ein Törtchen, ein was nicht noch, bin ich unmäßig in dem Sinn, dass ich meine Freiheit verliere. Ich hänge einer Sache, einer Person, einem Hund, einer lieb gewordenen Gewohnheit an, statt frei zu sein. Und das hat auch nichts mit Identität zu tun (ich bin die, mit dem Mann, dem Hund, der Gewohnheit), es ist schlicht eine falsche Idee vom guten, eigenen Leben.
Genießen, ohne den Genuss sofort für sich zu reklamieren oder eine Gewohnheit daraus zu machen. So würde ich das formulieren. Thomas von Aquin, um mit von Schönburg gleich noch einen Kirchenmann zu zitieren, hielt das Maßhalten-Können für den Kern einer gelungenen Lebensführung, für die, wie er es schön formuliert, „Entscheidungsmitte des Menschen“. Der theologische Hintergrund ist der, sich von der Liebe und damit dem Vertrauen zu Gott zu verabschieden, und lieber für sich selbst zu sorgen. Hier beginnt eine fatale Entkopplung des Einzelnen aus der Welt und damit das Ungleichgewicht, das ein egoistisches oder vielleicht nur auf Individualität geeichtes Leben ausmacht. Gott können alle streichen, die mit diesem Konzept nichts anfangen können. Wenn wir „Universum“ oder „Umwelt“ oder was auch immer hier einsetzen, ist es genauso wahr.
Soviel Wort zum Sonntag, in diesem Sinn zum Neuen Jahr oder auch Kommentar zu den guten Vorsätzen für 2019. Ich backe jetzt erst mal einen Kuchen…
finbarsgift 2. Januar 2019
… einen ohne Sahne?!
Liebe Neujahrsgrüße vom Lu
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Stephanie Jaeckel 2. Januar 2019
Ja, ohne. Es ist eine Art Restekuchen aus Zutaten, die ich noch von der Weihnachtsbäckerei übrig habe. Ein kleiner Neujahrsgruß fürs Büro. Sahne gibt es keine mehr.
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finbarsgift 2. Januar 2019
Schmunzel… 🎵🎶🎵🎶🎵🐦
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wechselweib 2. Januar 2019
Mäßigung und das rechte Maß halten ist schon bei Plato und Aristoteles eine Tugend. Die Christen haben das übernommen, weil sie den Wert dieser Tugend erkannt haben.
Wie dem auch sei: Das rechte Maß, die goldene Mitte werde auch ich versuchen einzuhalten.
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Stephanie Jaeckel 2. Januar 2019
Ja, die Antike ist im Grunde nach wie vor die „Wiege Europas“, wir haben von dort einiges über die christliche Variante übernommen, weil antike Kultur eine lange Zeit in Vergessenheit geriet. Aber Vorsicht! Die Christen haben da nix übernommen, bitte nicht vergessen, dass wir in der jüdischen Tradition stehen, die selbst in die Antike zurückreicht…
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Myriade 2. Januar 2019
Die jüdische Tradition reicht aber doch um einiges weiter zurück als die Antike. Nur so der Vollständigkeit halber 🙂
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wechselweib 2. Januar 2019
Ja, zugegeben. Und der Islam kennt die Tugend der Mäßigung auch und der Buddismus…
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Myriade 2. Januar 2019
Auch von der buddhistischen Seite her ist die Goldene Mitte, der Gleichmut, der Mangel an Fanatismus in jede Richtung der Schlüssel zur Freiheit. Meiner Ansicht nach ist ein Gott bei diesen Betrachtungen absolut nicht notwendig
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Ulli 2. Januar 2019
„Entscheidungsmitte des Menschen“ ist eine wunderbare Formulierung! Und wenn ich nun weiterdenke, dann meine ich, dass man (in jungen Jahren) zunächst einmal über das Maß hinausschießen muss, um es dann für sich selbst zu finden.
Herzliche Grüße
Ulli
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menuchaprojekt 2. Januar 2019
Ich liebe C.S. Lewis und die Narniamärchen.
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