Heute ist Karfreitag. Draußen ist es noch ganz still. Die Vögel zwitschern und mir wird leicht ums Herz. Was für ein sonniger, schöner Tag – zumindest für mich.
Weil ich mehr Zeit habe als sonst, lese ich ein verdammt dickes Buch, das gerade erschienen und (um in den Klunkern noch einmal die Berliner AGB zu loben:) schon in der Stadtbibliothek zu haben ist. Eigentlich wollte ich nur die Einleitung lesen, um ungefähr zu wissen, worum es geht. Aber jetzt habe ich mehr Zeit (und die Bibliothek war so vorausschauend, die Leihfrist von sich aus zu verlängern: Ein Hoch auf die AGB!). In der Einleitung schreibt der Autor Matthias Glaubrecht, möglicherweise sei einer der größten Fehler der Menschheit die Sesshaftigkeit gewesen. In der üblichen Erzählung als wichtiger Schritt hin zur Zivilisation gelesen, zitiert er Wissenschaftler, die schon hier den großen Sündenfall unserer Vorfahren sehen: den Beginn der Ausbeutung des Planeten Erde.
In der Bibel wird dieser Moment als Sündenfall und als Vertreibung aus dem Paradies beschrieben. Und weil ich neben dem dicken Wälzer von Glaubrecht („Das Ende der Evolution – Der Mensch und die Vernichtung der Arten“) auch noch das Buch von Dolly Freed („Die Faultiermethode“) lese, kam es zu einer interessanten Verknüpfung mit unserer augenblicklichen, sorgenerfüllten Lage, denn Freed argumentiert, dass Sorgen meist mit Besitz verknüpft sind, und damit vor allem unsere Freiheit beschneiden. Sie weist auf das Matthäus-Evangelium 6,19-34, „Von der falschen und der rechten Sorge“. Man mag das ungeheuer naiv finden. Aber in allen spirituellen Weisheitssammlungen dieser Welt findet sich die Ermahnung, statt Sorgen zu hegen, den Augenblick zu beachten.
„Sorgt euch also nicht um morgen; denn der morgige Tag wird für sich selbst sorgen. Jeder Tag hat genug eigene Plage.“
LP 10. April 2020
Spontane Assoziation:
„Nehmet wahr der Lilien auf dem Felde, wie sie wachsen: sie arbeiten nicht, auch spinnen sie nicht. Ich sage euch aber, daß auch Salomo in aller seiner Herrlichkeit nicht ist bekleidet gewesen als deren eines.“
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Xeniana 10. April 2020
Danke für den Buchtipp. Hab der lokalen Buchhandlung soeben 38 Euro gespendet.
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Leinwandartistin 10. April 2020
Interessanter Lektüretipp, habe ich mir gleich notiert.
Eine ähnliche – mir durchaus einleuchtende These – habe ich bereits bei Yuval Noah Harari gelesen.
Und ehrlich gesagt bin ich auch gerade froh, dass ich gerade genau genug zum Überleben habe, mir aber keine Sorgen um den nicht vorhandenen Besitz machen muss …
Ein auch in diesen Zeiten angenehmes Osterfest mit interessanten Lektüren
Ines
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chw 10. April 2020
ja stimmt, Harari, mir war der Gedanke auch im letzten Jahr irgendwo begegnet … Ich hätte jetzt zuerst bei Jared Diamond nachgeblättert. Auf jeden Fall kam es mir einleuchtend vor, dass die Sesshaftigkeit uns zwar ein auf den ersten Blick komfortables Leben in Hülle und Fülle beschert, aber um den Preis, dass wirkliche Nachhaltigkeit kaum mehr möglich ist.
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