Ein grauer Morgen

Gestern habe ich eine Stunde lang rote Rosen an Frauen verteilt – Internationaler Frauentag, ich wollte auch mal was tun. Es war grau draußen, nieselig und (auch drinnen) arg früh. Die Leute hetzten zur Arbeit, oder mit ihren kleinen Kindern im Schlepptau zur Kita, die Stimmung war müde, müde, müde. Und ich bekam, was ich erwartet hatte.

Andersherum nämlich mag ich es auch nicht besonders, wenn ich von einer auf der Straße mit Flyern oder anderen Dingen in der Hand lungernden Person fixiert und dann angesprochen werde. Auf „Lieben Sie Kinder“ oder „lieben Sie Tiere“ antworte ich reflexhaft mit „nein“ – mir kommen die Fragen tatsächlich falsch vor – und natürlich will ich nicht spenden (das wiederum ist ein anderes Thema, und natürlich spende ich auch, aber – eben…).

Aber mit einer solchen Wucht schlechter Laune hatte ich nicht gerechnet. Ich meine, ich habe rote Rosen verteilt – !? Flyer gab es nur, wenn ich mit den Frauen ins Gespräch kam. Und wenn sie wollten. Ich dachte: was für ein miserabler Umgang. Es ging dabei nicht mal nur um schlechte Laune. Es war eher so eine Herabsetzung, eine Arroganz und eine Verachtung, die an meine Würde ging – und wie ich das Gefühl hatte: absichtlich.

Natürlich gab es auch strahlende Gesichter. Mädchen, denen ich die Rosen gab, kicherten, viele Frauen freuten sich, manche hatten gar nicht an den Frauentag gedacht, einige waren engagiert und unterhielten sich kurz mit mir. Andere Frauen wirkten richtig gerührt, manchen hätte ich gerne gleich einen ganzen Strauß gegeben, oft älteren Frauen, die so früh schon unterwegs waren und sehr einsam wirkten. Die kleinen Jungs versuchten zu feilschen – warum sie denn keine Rose bekämen, dann: sie wollten sie ihrer Freundin oder ihrer Mutter schenken. Das war sehr lustig und die Mädchen, die daneben standen, lachten umso mehr  – ich blieb natürlich hart… Die größte Überraschung jedoch war eine andere: Wie viele Väter mittlerweile ihre Kinder zur Kita oder Schule bringen. Doch, das hat mich wirklich gefreut.

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Wer die Welt erkennen will, sollte genau hinsehen. Schon als Kind habe ich mir häufig die Augen gerieben und - wenn es sein musste - noch einmal hingeschaut. Mittlerweile arbeite ich als Journalistin und als Autorin. Auch hier ist das genaue Hinsehen, keineswegs das Schreiben, die, wenn man so will, Kerntätigkeit. Doch während ich meinen Blick bei der Arbeit fokussiere und das Gesehene zu allen möglichen Richtungen hin ausleuchte, möchte ich in meinem Blog kurze Blicke wagen. Wer zurückschaut, ist herzlich willkommen.

Comments 14

  1. Madddin 9. März 2018

    Vielleicht dominierten sogar die erfreulichen Momente? Wenn ich abends an den Tag in der Apotheke denke, fallen mir immer zuerst die wenigen unhöflichen Kunden ein. Erst dann kommt die Erkenntnis, dass da auch viele andere waren.
    Herzliche Grüße
    Martin Pierick

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  2. papiertänzerin 10. März 2018

    Vielleicht lieber Fresien? Nein, im Ernst, ich finde das mutig & engagiert von dir & bedaure, dass ich nicht mit einem breiten Lächeln zur Stelle war (allerdings – es gab da vor einer Weile diese Staubsauger-Vertreter mit Rosengeschenk. Schade, dass Schenken misstrauisch & aggressiv macht, aber hinter der Blume steckt eben häufig ein getarntes Geschäftsinteresse) Nun interessiert mich noch, was auf dem Flyer stand und ob du es wieder versucht, im nächsten Jahr?

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    • Stephanie Jaeckel 10. März 2018

      Ja, der Flyer war politisch, aber eben, darum ging es nicht vorrangig, erstmal und vor allem war Frauentag. Wir haben die „Berliner Stimme“ verteilt, eine kleinformatige Zeitung der Berliner SPD, diesmal zum Thema „Frau. Macht. Zukunft“. Es gibt darin einen Beitrag zu Tarifverträgen (Gleichberechtigung), #metoo (Sexismus) und 30 Jahre Quote in der SPD, Themen, die nicht nur Parteimitglieder interessieren sollten, aber klar. Wie geschrieben, ich habe da nicht insistiert. Wir haben auch keine SPD-Käppies getragen oder ähnliches… Nächstes Jahr: ja, mache ich wieder.

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  3. Elisabeth Lindau 16. März 2018

    Ich finde es gut, dass du das gemacht hast – es hat dir ja viele neue Eindrücke beschert, von denen die schlechte Laune mancher Leute, die schon am frühen Morgen gestresst sind, nur einer war. Die anderen finde ich interessanter, und du hast sie so schön beschrieben. Danke dafür.
    Kürzlich habe ich auch so eine Beobachtung von jungen Vätern gemacht und ich glaube, es waren ziemlich viele mit Migrationshintergrund (wie man so sagt – mir fällt gerade kein besserer Ausdruck ein) dabei. Darüber habe ich mich auch gefreut.
    Schönes Bild übrigens – sie macht wohl gerade mal Pause, während ihr Mann mit den Kindern unterwegs ist.

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