Sehen lernen

gehört bis heute zum Curriculum von Kunsthistoriker/innen. Ich komme darauf, weil ich mich nach wie vor mit Johann Winckelmann beschäftige, der im 18. Jahrhundert die Kunstgeschichte als Wissenschaft mit aus der Taufe hob und gerade Sehen zur wichtigsten Voraussetzung machte. Winckelmann als Kind aus einfachsten Verhältnissen. Was gerne betont wird. Winckelmann als Selfmademan, der die Fähigkeiten in sich selbst sieht, denn Sehen kann jede/r lernen, die oder der wache Augen hat. Eine große Bibliothek oder sonstiger Zugang zur Bildung sind – erst einmal zumindest – nicht nötig.

Sehen lernen hat umgekehrt keinen guten Ruf. Oder, um es anders zu formulieren: Was bitteschön soll denn da gelehrt und gelernt werden? Kann nicht jede/r sehen? Nein. Tatsächlich nicht. Denn wir sehen nur, was wir wissen. Wir erkennen, was wir schon einmal gesehen haben. Sehen ist ein lebenslanges Training. Erschwert übrigens durch die nachlassende Sehkraft der Augen (davon kann ich leider auch schon Lieder singen). Und – auch andere Berufsgruppen sind mit Sehen lernen beschäftigt. Nicht nur Kreativköpfe. Metzger/innen, Obsthändler/innen, Bäcker/innen, Informatiker/innen, Schreiner/innen, und, und, und – was wären sie alle ohne geschärften Blick?

Sehen ist die Fähigkeit des Menschen, sich in der Welt zu verankern. Wie auch die anderen vier Sinne. Sehen lernen ist insofern eine entscheidende Aufgabe für alle. Und eine äußerst vergnügliche. Oder wie heißt das Spiel – Ich sehe was, was Du (noch) nicht siehst…

 

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Wer die Welt erkennen will, sollte genau hinsehen. Schon als Kind habe ich mir häufig die Augen gerieben und - wenn es sein musste - noch einmal hingeschaut. Mittlerweile arbeite ich als Journalistin und als Autorin. Auch hier ist das genaue Hinsehen, keineswegs das Schreiben, die, wenn man so will, Kerntätigkeit. Doch während ich meinen Blick bei der Arbeit fokussiere und das Gesehene zu allen möglichen Richtungen hin ausleuchte, möchte ich in meinem Blog kurze Blicke wagen. Wer zurückschaut, ist herzlich willkommen.

Comments 5

  1. de Chareli 4. März 2018

    Sehen lernen, das ist so spannend wie hören lernen. Mein Reise durch die Welt der klassischen Musik zwang mich, neu und anders hören zu lernen. Gerade die zeitgenössische klassische Musik erschließt sich nicht auf den ersten Moment einem Ohr und Gehirn, das mittels Bach, Mozart, Beethoven oder Brahms geeicht wurde. Nach über drei Jahren höre ich nun bei Ligeti, Messiaen oder Berio Musik wo ich vor Jahren eher Lärm gehört hätte.

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