So ein Rechner kann ganz schön schlau sein: Musik, das weiß er, kommt über die Ohren. Und gleich reicht er mir Kopfhörer, denn meine Wohnung ist nicht nur klein, sondern auch hellhörig.
Hören ist auch gleich das Problem. Dann zumindest, wenn ich über Musik reden oder schreiben will. Bilder bleiben stehen. Selbst Kinofilme lassen sich Bild für Bild anhalten. Nicht so Musik. Sie ist da. Oder weg. Allein sichtbar als Partitur. Was mir nix nützt, weil ich Partituren nicht lesen kann.
Neulich habe ich mich gefragt, ob die Darstellung in Wellen wie in einem Schnittprogramm mir das Sprechen über Musik erleichtern könnte. Weil hier die Dauer und die Intensität von Tönen (für mich als Laien) direkter sichtbar sind als in einer Notenschrift. Über die wellenförmigen Muster zumindest kann ich mir leichter Sounds oder musikalische Abschnitte vorstellen als mit jeder anderen Gedankenstütze. Vielleicht wäre das sogar mal einen Versuch wert – ?
Warum ich mich einmal mehr mit der Frage beschäftige, was sich über Musik sagen lässt (oder wie es am Besten gehen könnte), liegt daran, dass ich gerade zwei Musikbücher auf meinem Nachttisch liegen habe. Einmal die Beethoven-Biografie von Martin Geck und ein Gespräch zwischen Haruki Murakami und dem Dirigenten Seiji Ozawa. In beide Bücher habe ich kurz reingelesen. Bei beiden spüre ich Vergnügen und Unvermögen zugleich. Denn egal, um welche Musikkomposition es dort geht, ich kann nur bis zu einem gewissen Punkt folgen. Ich habe die Musik nicht im Kopf. Ich müsste nebenher immer wieder reinhören. Und – ehrlich – selbst dann vergesse ich schnell, was akustisch vorgefallen ist.
Dennoch wünsche ich mir dringend Bücher, in denen es um Musik geht. Vielleicht sind sogar fiktionale Texte (die natürlich in Bezug auf Musik gar nicht so fiktional sein können) die besseren Formate. Weil man sich dort vielleicht eher trauen würde, die Musik, um die es geht, zu beschreiben. Ich habe tatsächlich eine Szene aus einem Roman von Haruki Murakami im Kopf, wo sich der Ich-Erzähler als Junge mit seiner damaligen Schulfreundin nachmittags trifft, um Platten zu hören. Wie geht es Euch? Redet Ihr (gerne) über Musik? Oder kennt Ihr Bücher, in denen spannend über Musik geschrieben ist?
finbarsgift 22. Januar 2018
Ich beschäftige mich und rede fast täglich über Musik…
Partituren sind die interessantesten Musiklesebücher.
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Stephanie Jaeckel 22. Januar 2018
Na, hier beißt sich die Katze aber in den Schwanz. Wer Musik nicht lesen kann, hat eben von den interessantesten Musikbüchern nix. Ich habe es, vielleicht nicht redlich genug, probiert. Nicht umsonst liegt eine Partitur zeitgenössischer Musik bei mir zu Hause rum. Bei YouTube bieten sie selten einmal Partituren an, wo der Verlauf angezeigt wird. Aber das geht mir dann wiederum zu schnell. Ist aber schon mal was. Vielleicht bleibt es ein müßiges Unterfangen oder ein seltener Moment, wenn man Menschen trifft, mit denen man sich über Musik verständigen kann. Mal sehen, was meine beiden Bücher auf dem Nachttisch bringen.
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finbarsgift 22. Januar 2018
Ich verstehe dich!
Und dennoch kann man über Musik nicht wirklich schreiben, man muss sie hören um sie verstehen zu können…
Die einzig mögliche Intensivierung, eine Art Revelation des puren Musikhörens, ist „das Ursprungsbuch dieser Musik“ (mit)zulesen, also die Partitur…
Liebe Morgengrüße vom Lu
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christahartwig 22. Januar 2018
Ich spreche und schreibe selten über Musik. Es gibt aber eine Buchstelle, die mich schon in jungen Jahren zu dem geführt hat, was bis heute mein liebstes Orgelstück ist:
https://christahartwig.wordpress.com/2010/06/23/liebsten-buecher-8852191/
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Stephanie Jaeckel 22. Januar 2018
Ja. Schön diese Textpassage. Vielleicht für mich noch mal ein Einstieg in die Orgelmusik, die mir leider bis heute doch arg fremd bleibt. Danke!
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mannigfaltiges 22. Januar 2018
Be/Geschriebene Musik höre ich nicht im inneren Ohr (außer natürlich so Schlagerzeugs wie den Bolero). Ich muss da auch jedesmal nachhören. Apropos Bolero, das kleine Büchlein von Echenoz über Ravel hat mich schwer begeistert. Alex Ross, The Rest is Noise, führte mich eigentlich erst an die moderne Musik heran. Und natürlich Härtlings Musikerbiographien. Bei Musikstücken reichen mir oft die Zeitungskritiken – und da ist auch meist das Auge am rollen.Im Netz gab es mal eine Serie über die Klaviersonaten von Beethoven, die war Klasse, Finde sie aber leider nicht mehr.
Ansonsten mischt sich Dein Blechkumpel ganz schön in Dein Leben ein… 😉
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Stephanie Jaeckel 22. Januar 2018
Danke für die 📚Tipps und gleichzeitig sorry für meine augenblickliche Macke mit dem Rechner, aber der hat die Funktionsleiste als Touchscreen und bietet beim Tippen gleich die – für ihn passenden – Emojis an und ich finde das gerade komisch. 😁 JA. Wirklich. 😳 Ich höre aber die Tage schon wieder damit auf. Soll ja nicht (der Säzzer) werden. (Ist ja dann doch nicht sooo schlau).
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mannigfaltiges 22. Januar 2018
😀
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marillenbaererzahlt 22. Januar 2018
Bei Musik kommt es bei der Wirkung eben umso mehr auf das evozierte entstandene Gefühl an. Sowohl Literatur als auch Kinofilme laufen gewissermaßen horizontal ab. Die Gefühle, die der Autor oder Regisseur entstehen lassen möchte, müssen linear entstehen, damit am Ende das Gefühl vollständig vermittelt wird. Musik dagegen verläuft in der Wirkung vertikal. Das heißt alle Stimmen zusammen geben in einem klitzekleinen Moment schon die gesamte Wirkung, die erzielt werden soll, ab. So erkläre ich mir, dass es deutlich schwerer ist, Musik und ihre Wirkung in Worte zu fassen als es das beispielsweise bei Literatur ist. In Büchern hat man eine gewisse Zeitspanne, in der die Wirkung aufgebaut wird, in der Musik ist sie sofort, ab dem ersten Ton, da.
Und zum „im-Kopf-behalten“ ist mein Tipp: Tatsächlich plakativ die Sinneseindrücke mitschreiben, seien sie noch so absurd oder albern. Schön formulieren kann man später immer noch, aber für die Erinnerung sind „ab Takt 28 wie ein Schwarm Enten über dem FLuss in eisiger Kälte“ oder „Mittelteil: marschähnlich und imposant wie eine Herde Elefanten“ deutlich einfacher 🙂
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Stephanie Jaeckel 22. Januar 2018
Jein, Literatur und Filme laufen auch vertikal, jedenfalls wenn sie nicht ganz platt sind. Musik wiederum verläuft eben auch horizontal, denn sie „ereignet“ sich ebenfalls in der Zeit. Aber es stimmt natürlich, dass vieles hier aufeinander steht, was die Wirkung einer bestimmten „Stelle“ überhaupt erst ausmacht. Andersherum sind Bezüge und Echos auch in Musik wichtige Bausteine. In Büchern gibt es tatsächlich jenen berühmten ersten Satz, der alles schon enthält, was auf den nächsten Seiten folgt und der sprachlich so gelungen ist, dass es einen aus den Puschen haut. Vielleicht ist es mit der Musik so schwer, dass wir als Laien eben nur die Sinneseindrücke schnappen, nicht aber die Komposition. Mein Musikerfreund Tomas beschreibt oft, wie zeitgenössische Kompositionen zum Beispiel genial komponiert sind, dann aber nur mäßig hörbar. Oder dass wir viele Kniffe nicht hören können, obwohl sie gelesen geradezu genial sind. Interessant auch, dass er darauf besteht, die Zwölftonigkeit könnten wir meist gar nicht hören. Dennoch ist Dein Tipp gut, beim Hören quasi mitzuschreiben. Probiere ich mal: Vielen Dank!
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marillenbaererzahlt 22. Januar 2018
Natürlich stimme ich dem zu, dennoch ist das „Grundprinzip“ von Musik eben so, dass ein Handlungsstrang (in diesem Fall eine Melodie, ein Motiv, ein Thema) nicht durch seine lineare Anordnung, sondern durch seine Begleitung und den Gesamtzusammenhang erkennbar wird, während man beim Lesen die Aneinanderreihung von Wörtern braucht. Aber klar: gute Filme und Bücher sind ebenfalls vielschichtig und somit horizontal:-)
Und da ich musikalisch tatsächlich gar nicht so laienhaft bin, kann ich dir sagen: Ja, das stimmt mit den genialen Kompositionen auf dem Papier!!! Wenn du auf der Suche nach dafür beispielhaften Stücken bist, empfehle ich dir die Sinfonien von Schostakowitsch, da sind so dermaßen viele Chiffren und ausgeklügelte „Rätsel“ drin, dass mir das Lächeln aufgeht, wenn ich sie schriftlich nachvollzogen habe und dann anschließend auch höre 🙂
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de Chareli 23. Januar 2018
Das Murakami-Buch fand ich total enttäuschend! Hier ein paar Ideen für Werke, die ich sehr spannend fand:
Geck, Martin: Mozart. Eine Biographie.
Härtling, Peter: Schumanns Schatten.
Vaget, Hans Rudolf: Seelenzauber. Thomas Mann und die Musik.
Harnoncourt, Nikolaus: Musik als Klangrede.
Claussen, Johann Hinrich: Gottesklänge. Eine Geschichte der Kirchenmusik
Härtling, Peter: Schubert
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Stephanie Jaeckel 24. Januar 2018
Ich bin mal gespannt. Von Martin Geck habe ich ja das Beethoven-Buch. Ich hoffe einfach, dass es gut ist. Murakami – Ozawa, jaaaa, ich habe das erste Kapitel gelesen und fand es leider sehr oberflächlich. Es mag aber auch daran liegen, dass eine Art Interview am Ende doch das falsche Format ist. Ich bin mir noch nicht sicher.
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de Chareli 23. Januar 2018
Die o.a. Werke habe ich allesamt mit großem Vergnügen gelesen und mir dann gleich die erwähnten Werke gehört. Die Musiksammlung ist rasant gewachsen, aber das ist ganz wunderbar, weil ich über die i.a. Klassiket zu anderen Komponisten, etwa Fux, Buxtehude, Czerny, Fanny Mendelssohn gestoßen bin und mir viele neue Ideen für meinen Musikblog in den Schoß gefallen sind.
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Stephanie Jaeckel 24. Januar 2018
Klar, ich höre natürlich auch die Stücke, über die geschrieben wird. Aber manchmal komme ich da kaum noch mit. Was immer hängen bleibt, ob mir ein Stück zugänglich wird oder nicht. Allerdings kann ich das am Besten, wenn ich völlig unvorbereitet im Konzert sitze. Da habe ich eigentlich die größtmögliche Offenheit für neue Stücke.
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de Chareli 24. Januar 2018
Oh, das geht mir ganz anders. Ich höre viele Stücke zurerst an Hand einer Einspielung VOR dem Konzert, um zu wissen, wo ich was hören kann, gerade bei Kompositionen ab 1900. Besonders wenn ich dann drüber schreibe, muss ich Hausaufgaben machen. Sonst verpasse ich das Beste/Schönste/Wichtigste bei der Live-Veranstaltung.
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Stephanie Jaeckel 24. Januar 2018
Da sind wir offensichtlich sehr verschieden. Ich schreibe Ausstellungsrezensionen, und auch da bereite ich so wenig wie möglich vor. Ich will vor Ort überrascht, gepackt, begeistert oder enttäuscht werden. Ich bestehe darauf, dass die Ausstellung das kann, ohne dass ich mit mehr als meinem anstudierten Wissen darein gehe. Ich bereite dann akribisch nach. Natürlich gehe ich bestens vorbereitet in Interviews, falls ich welche geplant habe. Das bin ich meinen Gesprächspartner/innen schuldig. – Genauso verfahre ich bei Konzerten. Wo ich als Laie reingehe. Entweder, die Musik dort bewegt mich, oder was auch immer. Oder es war ein schlechtes Konzert. Auch hier bereite ich nach. D.h. falls ich eine Aufnahme habe, höre ich sie noch einmal. Manchmal wird ein Konzert aus der Berliner Philharmonie auch noch einmal an einem späteren Abend gesendet – und dann gibt es ja immer noch die fantastische Amerika Gedenkbibliothek. Ich habe Glück, und gehe oft mit einem Pianisten ins Konzert oder mit einer Musikwissenschaftlerin. Sie können meine Eindrücke sehr gut in Worte fassen, die mir nicht zur Verfügung stehen. Auf diese Weise lerne ich eine Menge.
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