Ein Lob auf eine untergehende Spezies…

Der gute alte Bleistift. Mit ihm habe ich Schreiben gelernt. Aber vorher schon Universen ausgemalt. Auf Blöcken, die mein Vater aus der Firma mitbrachte. Merkwürdigste Formate, graues Papier mit weißen Linien. Kein Mensch hatte sowas. Nur wir. Was hätte ich um weißes Papier gegeben! Und heute gibt es graues Papier für unbezahlbar in Nobel-Papeterien. Hihi. Aber es geht ja eigentlich um den Bleistift. Vielleicht bin ich ja viel zu früh dran, mit meinem Schwanengesang. Aber mal ehrlich, wann verwendet Ihr noch Bleistifte? Ich eigentlich nur, wenn ich mir Notizen während der Lektüre in eigene (!) Bücher mache. Oder wenn ich – selten, selten – etwas zeichne. Heute wollte ich ein paar Bleistifte fotografieren und habe – nicht wenig gerührt – festgestellt, dass ich dutzende ganz runter gespitzten Bleistifte habe. Will sagen: offenbar werfe ich sie nicht weg. Und dann habe ich sogar einen Stift gefunden, den ich schon seit meiner jüngsten Kindheit habe. Quasi, seit ich denken (bzw. mich erinnern kann). Der ist fast so etwas wie ein archäologischer Fund.

Wenn ich vor Kunstwerken stehe, mag ich Bleistiftzeichnungen sehr gerne. Es scheint dann, als wäre die Hand, die den Bleistift führt, am direktesten zu erkennen. Als würde sogar der Herzschlag der Zeichner/innen aufs Papier durchdrücken. Aber ob ich deswegen wieder öfters zum Stift greife? Kuli und Faserschreiber sind mittlerweile so schreibflüssig, dass sie bei mir zumindest die alten Gerätschaften – leider eben auch den Füller – ersetzt haben. Denn plötzlich muss ich unbedingt mal was in Grün schreiben, oder in Rosa – weiß der Kuckuck warum, aber dann sind diese neumodischen Dinger einfach unschlagbar – Glitzer geht ja sogar auch. Doch, ich mag Bleistifte nach wie vor, aber sie sind aus meinem Alltag fast verschwunden. Dabei sind sie wirklich schön. Schöner als die meisten Kugel-, Faser- oder Gelschreiber. Auslaufen tun sie auch nicht. Allerdings abbrechen. In den blödesten Momenten. Mein Großvater hat seine immer mit dem Messer spitz gehalten. War ja viel cooler als diese blöden Spitzer. In meiner Schulzeit waren Blei- und Buntstifte allgegenwärtig. Ob sie wirklich aussterben. Vielleicht bleiben sie ja auf unseren Schreibtischen so etwas wie die Quastenflosser in der Natur: lebende Fossilien. Sicher nicht die schlechteste Aussicht.

Filed under: Allgemein

von

Wer die Welt erkennen will, sollte genau hinsehen. Schon als Kind habe ich mir häufig die Augen gerieben und - wenn es sein musste - noch einmal hingeschaut. Mittlerweile arbeite ich als Journalistin und als Autorin. Auch hier ist das genaue Hinsehen, keineswegs das Schreiben, die, wenn man so will, Kerntätigkeit. Doch während ich meinen Blick bei der Arbeit fokussiere und das Gesehene zu allen möglichen Richtungen hin ausleuchte, möchte ich in meinem Blog kurze Blicke wagen. Wer zurückschaut, ist herzlich willkommen.

Comments 14

  1. SätzeundSchätze 6. März 2016

    Ich bin immer noch eine Bleistiftfrau … während andere mit dem Kuli kritzeln, nehme ich meinen grünen Faber-Castell, mit dicker Mine. Und wir haben eine Gemeinsamkeit: Auch mein Vater, ein Buchdrucker, brachte immer Papier aus der Firma mit. Ich wurde zum sparsamen Umgang damit erzogen, Papier wurde auf zwei Seiten beschrieben, es hatte einen Wert – das steckt mir bis heute im Blut. Würde ich nicht ab und an einen Aufräumfimmel bekommen, würde ich jedes Fitzelchen aufheben und mir auf die Rückseiten mit Bleistift Notizen machen…
    Lebende Fossilien: Ja, aber ich glaube noch ist es nicht soweit…

    Gefällt 2 Personen

    • Stephanie Jaeckel 6. März 2016

      Bei mir ist das mit dem sparsamen Umgang erst mal gründlich schief gegangen. Dieses graue Papier war übrigens Computerpapier – oder so was für die Vorläufer von Computern. Als ich endlich Taschengeld hatte, kaufte ich mir viel weißes Papier. Ich war jahrelang eine enorme Papierverschwenderin. Gerade während des Studiums. Alles musste neu und weiß sein. Erst jetzt begreife ich die enorme Verschwendung, die darin liegt und benutze alles Papier doppelt. Zumal ich fast nur noch auf Kopierpapier schreibe. Wenig in Hefte. Die allerdings werden weiterhin fast nur einseitig beschrieben. Rechts. Auf die linke Seite notiere ich allerdings Kommentare, Zitate, alles mögliche. Aber oft bleiben diese linken Seiten auch frei.

      Like

  2. Claudia Bett 6. März 2016

    Ich liebe Bleistifte, aber nur die richtigen aus Holz, die so gut riechen, wenn man sie anspitzt, und nicht diese lieblosen Druckbleistifte, die den Charme eines Kugelschreibers haben – nämlich überhaupt keinen. Mit Bleistift mache ich mir Notizen in Bücher oder kritzle in meinen Terminkalender. Richtig schön finde ich sie eigentlich erst, wenn sie schon ein wenig runtergespitzt und klein sind 😉 Auch ich habe neulich ein paar Relikte aus meiner Kindheit gefunden, denn irgendwie kann ich mich von Schreibutensilien so schwer trennen – keine Ahnung, woher das kommt. Unter anderem fand ich einen Radiergummi, den ich noch aus Grundschulzeiten hatte. Steinhart ist er, radiert natürlich auch nicht mehr, aber wegschmeißen konnte ich ihn trotzdem nicht – nimmt ja auch nicht viel Stauraum ein und erinnert mich an die wohl schönste Zeit meines Lebens 😉

    Gefällt 2 Personen

    • Stephanie Jaeckel 6. März 2016

      Ein alter Radiergummi ist natürlich auch was! Nee, die sind bei mir alle irgendwann rausgeflogen. Radiergummis, die nicht radierten waren mir ein Gräuel. Lustig, dass Du die Grundschulzeit als die „wohl schönste“ erinnerst. Ich fand die Grundschule nur bedingt lustig. Ich war gerne Kind, aber nicht so gerne klein…

      Like

  3. borretsch 6. März 2016

    Du hast recht, gerade habe ich in meiner Stiftebox auf dem Schreibtisch, nach einem Bleistift gesucht und habe nur einen mit zum ‚Rausdrücken‘ gefunden. Diese mit der Miene, kennst die noch?
    Aber ich habe auch noch antiquarische aus meiner Kindheit, diese liegen allerdings nie in meiner Reichweite.
    Dies werde ich ändern um, sie in Ehren zu halten.

    Mein Mann entführt sehr oft Bleistifte in seinen Werkzeugkasten. Er benötigt sie zum Anzeichnen der Bohrlöcher.

    Ich braucht sie scheinbar häufiger, wie ich…

    Grüne Grüße MION

    Gefällt 1 Person

  4. Stephanie Jaeckel 6. März 2016

    Nee, das hatte keinen Lochstreifen, sondern war grau mit weißen Linien. Vielleicht finde ich im Haus meiner Eltern noch so einen Block – ich werde ihn dann mal fotografieren. Ansonsten: natürlich nicht jedes Fitzelchen. Aber es ist doch wesentlich klüger, Papier so oft zu verwenden, wie möglich. Was habe ich da alles verschwendet.

    Like

  5. Jaelle Katz 8. März 2016

    Es gibt noch etwas viel verschwundeneres als den Bleistift: Erinnerst Du Dich an Kopierstifte? Die angeleckt werden mussten, damit sie lila schrieben oder grün? Und die Zunge färbten? Ich hab noch zwei… die dürfen nicht weg. 😉

    Like

Hinterlasse einen Kommentar